Wie ein Hilfsprojekt von Renovabis Menschen aus einem Armenviertel in Rumänien hilft

Lateinamerika in der EU

In diesen Tagen startet die Pfingstaktion von Renovabis. Das katholische Hilfswerk unterstützt Projekte in Osteuropa. Wie nötig die Hilfe ist, zeigt das Beispiel Rumänien. An manchen Orten heißt es hier: keine Arbeit, keine Aufmerksamkeit und ein wenig Perspektive - dank Renovabis.

Autor/in:
Caroline Schulke
 (DR)

"Ich will hier raus", sagt Mihai und stopft die Hände tief in die Taschen seiner Jeans. Wohin? Achselzucken. Vielleicht nach Spanien, wo er schon mal war und von wo er wegen seiner Familie zurückkehrte; vielleicht aber auch woanders hin. Hauptsache weg. Weg aus seinem Heimatviertel Mondial, weg von Armut und Dreck. An diesem Tag steht der Schlamm knöcheltief zwischen den einfachen Häusern und Holzverschlägen, in denen die Menschen in Mondial leben. Der Regen der Vortage hat das notdürftige Abwassersystem überfordert.

Der Ablauf ist mit Müll verstopft. Mit wilden Gesten regt sich eine Frau über die Verschmutzung des Kanals auf; ein Nachbar fischt mit einer Stange Undefinierbares aus einem Loch im Boden. Es stinkt. Mihai beobachtet die Szene vom Rand. Der 23-Jährige lebt in einem Viertel von Lugosch, einer Stadt in Westrumänien. Auch das ist EU.

"So etwas gibt es sonst nur in Lateinamerika", sagt Ordensschwester Clara, genannt Clarice. Es fehle an Arbeit, Ausbildung - und Aufmerksamkeit. Ihr Orden, die Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern der Heiligen Johanna Antida, betreibt ein Sozialzentrum am Rande des Viertels, in dem die Schwestern nachmittags 38 Schulkinder zwischen 7 und 13 Jahren betreuen. Beim Bau des Gebäudes und bei den laufenden Kosten half Renovabis mit bislang rund 120.000 Euro. In diesen Tagen startet die Pfingstaktion des deutschen katholischen Osteuropahilfswerks. Sie steht unter dem Motto "Alt.Arm.Allein? - Menschen im Osten Europas Hoffnung schenken". Wobei sich die Hilfe, wie im Fall Rumänien, keineswegs nur auf eine Altersgruppe beschränkt.

"Die Menschen brauchen Hilfe"
In dem einladenden Gebäude der Schwestern in Lugosch bekommen die Kinder eine warme Mahlzeit, einen sauberen Ort zum Spielen und Schulunterricht. In mehreren Zimmern im Haus können die Kinder baden, im Spielraum liegt ein Karton mit Zahnbürsten in Plastikbehältern - für jedes Kind eine. Außer Nachhilfe, Essen und Hygiene verfolgen die Schwestern um Clarice ein weiteres Ziel: Sie wollen Aufmerksamkeit bei den Behörden erregen. "Die Menschen brauchen Hilfe", sagt die resolute Ordensfrau. "Das ist ein vergessenes Stadtviertel."

Anfang des 20. Jahrhunderts für die Arbeiter der Fabrik Mondial gebaut, war das gleichnamige Viertel schon immer von ärmeren Menschen bewohnt. Mit Enteignung der Firma ging es weiter bergab. Wer konnte, ging weg. Die Stadt - so der Vorwurf der Schwestern - ignoriert das Problem weitgehend. Überhaupt sind Sozialleistungen in Rumänien noch ausbaufähig. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Rente und Krankensozialversicherung - all das gibt es, aber auf niedrigem Niveau. Oft reicht die Unterstützung hinten und vorne nicht.

Welten trennen Lugosch von Deutschland
Von Lugosch aus sind es nur knapp drei Flugstunden nach Deutschland - doch dazwischen liegen Welten. Kein fließendes Wasser im Viertel; die Familien versorgen sich an einem Brunnen an der Dorfstraße.
Halbstarke im BMW rasen im Zickzack-Kurs über die schlammverschmierte Kopfsteinpflasterpiste. Dahinter rollt ein Pferdewagen vorbei. Über den Pfützen und dem Schlamm im Viertel trocknet Wäsche; Kinder toben durch den Dreck. Frauen und Männer kommen aus ihren Unterkünften, um die Fortschritte der Kanalreinigung zu begutachten.

Stella hat ihr ganzes Leben in Mondial verbracht. Sie wurde dort geboren und lebt jetzt mit drei Kindern und ihrem Mann in einem winzigen Häuschen. Ein kleiner Vorraum führt in den Wohnraum, in dem die Familie auch schläft. Ein Holzofen sorgt für Wärme; trotzdem sitzt der Schimmel in den Ecken. Außer einem Holzregal, einem alten Schrank und zwei Betten stehen kaum Möbel in dem dunklen Raum. Stellas Mann spielt mit einem Nachbarn Schach. Ihre Tochter Maria springt über die Betten; der wenige Monate alte Marius kuschelt sich an seine Mutter. Stellas ältester Sohn Samuel ist in der Schule. Zusammen mit seinen Mitschülern stürmt er um kurz vor eins das Sozialzentrum der Schwestern.

Ungeduldig streifen sich die Kinder Hausschuhe über und rennen in den Spielraum, der gleichzeitig die Kapelle des Hauses ist. Der Altar mit einem neongelben Tischtuch steht ganz an der Wand unter einem Kreuz.
Darunter versuchen sich einige Kinder im Damespielen, andere vergnügen sich mit Tischtennis und Kicker. Eine halbe Stunde ausgelassenen Tobens, dann gibt es Mittagessen und am Nachmittag Unterricht. In drei Klassen werden die Kinder unterschiedlichen Alters unterrichtet: ein Stück heile Welt inmitten des Elends, das Mihai nur noch hinter sich lassen möchte.