Der UNCTAD-Gipfel in Ghana steht im Zeichen von Hungerprotesten und wachsender Armut in Afrika

Zweifel an der Globalisierung

Wenn in Ghanas Hauptstadt Accra am Sonntag der zwölfte Gipfel der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) beginnt, werden diesmal auch viele einfache Afrikaner gespannt auf Ergebnisse warten. Denn die Folgen der Globalisierung, über deren "Chancen und Risiken" die sechstägige Konferenz mit geschätzt 4.000 Teilnehmern und Beobachtern diskutieren will, haben sie längst erreicht. "Früher haben wir morgens und abends Reis gegessen, aber jetzt reicht es oft nur noch für eine Mahlzeit am Tag", beklagt sich etwa Justine, eine Mutter von drei Kindern, die in einem Armenviertel von Guineas Hauptstadt Conakry lebt.

Autor/in:
Marc Engelhardt
 (DR)

Justines Leid ist die direkte Folge der drastisch gestiegenen Preise für Agrargüter auf dem Weltmarkt. Auf Conakrys Marché Madina, einem der größten Märkte Westafrikas, kostete ein Sack Reis im Dezember noch umgerechnet 122 Euro. Heute, nur ein Vierteljahr später, verlangen die Händler mehr als 300 Euro. Im Schnitt, so eine in Accra vorgestellte UNCTAD-Studie, sind in den vergangenen sechs Jahren die Preise für landwirtschaftliche Produkte um 133 Prozent gestiegen. "Aber die höheren Profite landen nicht bei den Farmern, sondern bei denen, die die Ernte durch Verarbeitung, Verpackung und Vermarktung veredeln", heißt es darin weiter.

Während die Preise in den Läden stiegen, sanken die Einkünfte der Bauern in den Entwicklungsländern. In der Folge wird überall auf der Welt seit Monaten demonstriert. In Ghanas Nachbarstaat Burkina Faso gingen Ende Februar Zehntausende auf die Straße. Sie steckten Reifen in Brand, errichteten Straßensperren und lieferten sich Gefechte mit der Polizei. Fast 300 Demonstranten, die eine Senkung der Lebensmittelpreise gefordert hatten, wurden verhaftet. "Wir haben keine Wahl: Entweder wir demonstrieren, oder wir verhungern", rief einer der Demonstranten.

Die Erkenntnis festigt sich, dass der seit mehr als einem Jahrzehnt von Geberländern und internationalen Institutionen propagierte Freihandel den Menschen in den Entwicklungsländern nicht geholfen, sondern im Gegenteil geschadet hat. "Die traditionelle Landwirtschaft wurde vernachlässigt, stattdessen wurden Plantagen für landwirtschaftliche Exportgüter propagiert, von denen die einheimische Bevölkerung nicht leben kann", kritisiert die Kenianerin Judi Wakhungu vom Afrikanischen Zentrum für technologische Studien (ACTS).

"Sonst werden die Länder noch mehr leiden"
Im Gegenzug seien afrikanische Länder mit Getreide und anderen Lebensmitteln aus dem Westen zu Dumpingpreisen überschwemmt worden, was die letzten Bauern in den Ruin getrieben habe. "Das rächt sich jetzt bei den gestiegenen Preisen auf dem Weltmarkt, weil Importe so viel teurer werden", sagt Wakhungu. Sie fordert die Rückkehr von Handelsschranken anstelle des bedingungslosen Freihandels. "Sonst werden die afrikanischen Länder noch mehr leiden."

Erste afrikanische Regierungen, etwa in Guinea und der Elfenbeinküste, haben die Notbremse gezogen und Exporte gestoppt, Importzölle aufgehoben und Subventionen erhöht. Über langfristigere Lösungen soll in Accra beraten werden. Vor allem Regierungen in Entwicklungsländern sehen die UNCTAD immer mehr als Alternative zur rein marktorientierten Welthandelsorganisation (WTO). Das Stocken der dortigen Verhandlungen über ein neues Welthandelsabkommen wollen viele von ihnen nutzen, um die wirtschaftliche Globalisierung politisch zu gestalten.

Die schon 1964 als Gegengewicht zu Internationalem Währungsfonds und Weltbank gegründete Organisation befindet sich nach jahrzehntelangem Bedeutungsverlust wieder im Aufschwung. Hinter ihr steht auch UN- Generalsekretär Ban Ki Moon, der um das Erreichen der Millenniums- Entwicklungsziele bangt. "Wir müssen die ärmste Milliarde erreichen", gab Ban kürzlich bei einem UNCTAD-Vorstandstreffen kund. In Accra müsse es darum gehen, Unterstützer für ein entwicklungsfreundlicheres globales Wirtschafts-, Handels und Finanzsystem zu mobilisieren.