Leipzig gedenkt der Sprengung der Universitätskirche Sankt Pauli

Streit bei Gedenken

Überschattet von Kontroversen hat Leipzig am Freitag der Sprengung der Universitätskirche Sankt Pauli durch das SED-Regime gedacht. Nach einem Läuten aller Kirchenglocken um 10.00 Uhr, dem Zeitpunkt der Zerstörung am 30. Mai 1968, nahmen mehr als 1.000 Menschen in der Nikolaikirche an einem Gedenkgottesdienst teil.

 (DR)

Dabei mahnte Sachsens evangelischer Landesbischof Jochen Bohl ein Miteinander von Glaube und Vernunft an. Er kritisierte indirekt die Pläne der Universitätsleitung zur Ausgestaltung des Neubaus an der Stelle des Gotteshauses, der 2009 fertig werden soll. Die Sprengung der Kirche bezeichnete er als "maßlose Hybris und böse Tat".

Bei einer anschließenden Protestkundgebung mit ähnlich vielen Teilnehmern auf dem Augustusplatz äußerten Vertreter des für einen Wiederaufbau der Kirche eintretenden Paulinervereins teils scharfe Kritik an Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und an der Universitätsleitung.

"Tempel des Wissens"
Der evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer bezeichnete nahe des früheren Kirchenstandorts die Sprengung als "Ulbricht'schen Talibanismus" und warnte vor Arroganz und Ignoranz. Er beklagte ideologische Borniertheit derer, die über den Neubau entscheiden.
Dieser dürfe nicht nur als Aula zu einem "Tempel des Wissens" werden. Der Neubau müsse als Kirche ein Störfaktor und inneres Kraftfeld für alle sein.

Der Dresdner Startrompeter Ludwig Güttler rief zur strikten Ablehnung der geplanten Innengestaltung auf. Der frühere Pfarrer der Nikolaikirche, Christian Führer, mahnte, christlicher Glaube und Wissenschaft gehörten zusammen. "Wenn man die Wurzeln kappt, lebt der Baum nicht mehr lange", meinte er.

Hintergrund der scharfen Kontroverse ist das Vorhaben der Universitätsleitung, im Innenraum den Andachtsbereich mit einer Glaswand von der Aula zu trennen und auf wichtige Originalteile wie Altar und Kanzel zu verzichten. Beide Gegenstände konnten 1968 geborgen werden. Der Neubau nach Plänen des niederländischen Architekten Erick van Egeraat soll 2009 zum 600-jährigen Bestehen der Universität fertig sein. Im Beton sind derzeit deutlich Anklänge an gotische Elemente des 15. Jahrhunderts erkennbar.

Jung nahm entgegen einer früheren Ankündigung am Gottesdienst, nicht jedoch an der Gedenkveranstaltung unter dem Motto "Die Universitätskirche wird leben" teil. Vor Journalisten sagte der Oberbürgermeister am Rande des Gottesdienstes, an diesem Tag dürfe es nicht um eine neue Spaltung gehen. Er rief dazu auf, die geplante Innengestaltung als Kompromiss anzunehmen. Es gehe darum, diesen Raum spirituell auf sich wirken zu lassen. Den Kritikern warf er eine spaltende Grundhaltung vor, die Diskussion sei unwürdig.

Am Freitagabend steht in der Thomaskirche ein Gedenkkonzert an, das ebenfalls an die Sprengung vor 40 Jahren erinnern soll. Dafür komponierte der Kirchenmusiker Volker Bräutigam ein fünfteiliges Werk unter dem Titel "Epitaph". Auch Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der bis 2005 Oberbürgermeister der Messestadt war, wird dazu erwartet.