Der katholische Theologe Johann Baptist Metz wird 80

Vater der neuen "Politischen Theologie"

Johann Baptist Metz, weltweit anerkannter Theologe und Begründer der "Neuen Politischen Theologie", wird am Dienstag 80 Jahre alt. Der emeritierte Münsteraner Hochschullehrer gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Theologen in der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65). Der Schüler des Jesuiten Karl Rahner hatte Einfluss auf Entstehung und Entfaltung der lateinamerikanischen Befreiungstheologie und wurde in seinen Entwürfen wiederum von dieser mitgeprägt.

Autor/in:
Christoph Strack
Streitbar auch im Alter: Johann Baptist Metz (KNA)
Streitbar auch im Alter: Johann Baptist Metz / ( KNA )

«Wenn Theologie alle Fragen wirklich perfekt beantworten kann, ist es schon falsch. Es geht auch um den Schrei des leidenden Menschen, den unbeantworteten Schrei.» Johann Baptist Metz bleibt, auch mit 80 Jahren, unruhig, unruhig wie seine Theologie. Ihn treibt die Rede von Gott nach Auschwitz, dieser Menschheitskatastrophe um.

Immer wieder, sagt er dieser Tage in einem Interview, habe er sich «gefragt, warum man unserer Rede von Gott eine solche Katastrophe wie überhaupt die himmelschreienden Leidensgeschichten der Menschen so wenig ansieht und anhört». Da ist Metz, einer der wichtigen deutschsprachigen Theologen der Nachkriegszeit, seit einigen Jahren wieder am Kern christlicher Existenz. Der Gottesfrage.

Der gebürtige Oberpfälzer, der am Dienstag 80 Jahre alt wird, ist Fundamentaltheologe. Die Fundamentaltheologie reflektiert und hinterfragt die Grundlagen des Glaubens. So ist Metz Fundamentaltheologe par excellence. Denn wie wenige andere suchte und sucht er über das System Kirche hinaus stets die Auseinandersetzung mit anderem Denken. Dazu zählte in den 60er Jahren auch das Gespräch mit dem Marxismus.

Kaum ein anderer Theologe pflegte so sehr den Dialog mit der sogenannten Frankfurter Schule um Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Jürgen Habermas, mit dem er bis heute befreundet ist. Daraus erwuchsen wichtige Impulse seines Bestrebens, das Christentum vor (weiterer) Verbürgerlichung zu bewahren. Es sei, so Metz, die heute gern geschmähte Atmosphäre der 68er-Jahre gewesen, die ihm eine allzu geschmeidige theologische Rede ausgetrieben und auf die Konfrontation mit der Leidensgeschichte des Menschen verwiesen habe. Zum 70. Geburtstag von Metz nannte der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, dessen Engagement eine «heilsame Beunruhigung» für Theologie und Kirche.

Dabei steht Metz für einen «politischen» Ansatz der Theologie - für ihren Anspruch, sich öffentlich und unruhig kritisch zu Wort zu melden. Lange Zeit war der Begriff der «Politischen Theologie» schwer belastet, nachdem Carl Schmitt (1888-1985) in der Weimarer Republik den Totalitätsanspruch des Politischen untermauert und dem Führerdenken einen metaphysischen Weg bereitet hatte. Metz gehört maßgeblich zu denen, die eine «Neue Politische Theologie» in ihrem systemkritischen Denken und ihrer Anwaltschaft für die Ausgegrenzten auf den Weg brachten.

Daraus erwächst die in einem ganz anderen Sinn «gefährliche Erinnerung» und das Ringen um eine Theologie nach Auschwitz. In einer Welt, die das Schöne und Gefällige vergötzt und sich das Perfekte klonen will, steht Metz für eine Erinnerung, die Schoah und Tod, die Opfer, ihr Leid, ihren Schrei nicht ausblendet. Heute zählen die Autorität der Leidenden, die Compassion, die wahre An-Teilnahme, zu seinen wichtigen Begriffen. Aus diesem Denken erwuchs auch seine Rolle für die lateinamerikanische Befreiungstheologie, die er mitbeeinflusste. Ohne dabei unkritisch zu werden, nahm er deren Denkansätze in sein Denken auf.

Metz führte auch die Feder des Dokuments «Unsere Hoffnung» der Würzburger Synode von 1971 bis 1975 und formulierte in dieser bis heute unerreichten Stellungsnahme befreiende Zusagen, aber auch Verpflichtungen für ein christliches Leben. In seinem Gesamtwerk ist Metz einer der letzten großen Gestalter katholischer Theologie der Nachkonzilszeit.

Beim diesjährigen Katholikentag in Osnabrück war Metz nicht dabei. Aber am Vorabend des Großtreffens hockte er in Ahaus, gut eine Autostunde entfernt, und mahnte, die Privatheit von Religion zu durchbrechen. Die Theologie solle «Fesseln abreißen» und wieder stärker politisch werden. Sie habe die Pflicht zur Einmischung gegen die völlige Ökonomisierung des Lebens, gegen die Dominanz von Markt und Technik. Diese Unruhe, ja dieser Zorn des alten Mannes hätte dem Katholikentag gut getan.

Der Priester aus einer, wie er selbst sagt, «erzkatholischen bayerischen Kleinstadt» ist ein tiefgläubiger Mensch. Da war absehbar, dass seine Auseinandersetzung mit der Gottesfrage und Gotteskrise einfach noch kommen muss. Die Leidenden ernst zu nehmen heißt eben, nicht nur fromm die Hände zu falten. Es heißt aber auch, die Hände zu falten. In der Münsteraner Stube des Theologen hängt der Corpus eines Gekreuzigten. Klassisch, wie aus einer anderen Zeit. «Ein Tiroler Künstler hat ihn für mich geschnitzt, zur Priesterweihe 1954», erzählt der Hausherr. Es ist nur ein Torso, ein Rumpf ohne Arme. Was ihm diese Christusgestalt sagt? «Ich habe keine anderen Hände als die euren», antwortet Metz.