Erzbischof Marx beim VI. Weltkongress der Zigeunerseelsorge

"Menschheitsfamilie" soll politisches Programm werden

Die "eine Menschheitsfamilie" muss nach den Worten des Erzbischofs von München und Freising, Reinhard Marx, Zielbild und Leitmotiv "über alle Grenzen und Nationen hinweg" werden. Dies sei auch ein Programm für das politische Handeln, sagte der Erzbischof bei einem Gottesdienst zur Eröffnung des "VI. Weltkongresses der Pastoral für Zigeuner" im Freisinger Mariendom. Bis zum 4. September diskutieren 150 Delegierte aus 25 Nationen das Thema "Die jungen Zigeuner in der Kirche und in der Gesellschaft", um die Lebensbedingungen dieser weltweit auf 36 Millionen Menschen geschätzten Familien und Gruppen zu verbessern.

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wr
 (DR)



Marx sagte, die katholische Kirche verstehe sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil als „Sakrament der Einheit für die ganze Menschheitsfamilie". Sie spreche jedem Menschen seine besondere Sendung zu. Niemand sei überflüssig, wie es Papst Benedikt XVI. bei seiner Amtseinführung formuliert habe. Vor allem die junge Generation solle den Weg zur einen Menschheitsfamilie finden, deren Einheit zugleich eine Vielfalt, Buntheit und Schönheit sei. Gerade die Zigeuner zeichneten sich dadurch aus, dass sie an ihrer Identität und ihren Traditionen festhielten. Sie wollten nicht in einer Einheitsgesellschaft aufgehen, die auch nicht „der Phantasie Gottes entspringt".

Für die Kirche gelte nicht das Bild einer immer mehr sich angleichenden „Einheitsgesellschaft", sondern das auch im Neuen Testament dargestellte Bild vom „einen Leib", der viele Glieder habe. In diesen Leib sei die Vielfalt der Kulturen und Völker integriert. Die Kirche wolle nicht den Fehler machen, die Nationalismen und Spannungen der Welt noch einmal kirchlich zu wiederholen. Ein Blick in die Geschichte zeige, dass auch Christen sich gegenseitig immer wieder Verletzungen zugefügt und einander Böses angetan hätten. Es sei die Aufgabe der heute lebenden Christen, das Bewusstsein für die eine Menschheitsfamilie immer neu zu stärken und so dem Anspruch der Kirche, Sakrament der Einheit für die ganze Menschheitsfamilie zu sein, zu entsprechen.

Der vom „Päpstlichen Rat der Pastoral für die Migranten und Menschen unterwegs" veranstaltete Weltkongress hat gleich zu Beginn an die Staaten und Regierungen der Welt appelliert, die Rechte der Zigeunerbevölkerung zu schützen und sie vor Diskriminierung, Rassenhass und Randdasein zu bewahren, wie der Sekretär des Rates, Erzbischof Agostino Marchetto, erklärte. Von dem Weltkongress solle eine Botschaft der Solidarität und Gemeinschaft ausgehen, die den Zigeunern Hoffnung geben könne. Dazu sollten vor allem junge Zigeuner ermutigt werden, sich selbst für bessere Lebensbedingungen einzusetzen und ihre Würde und eigenen Rechte zu verteidigen.

Nuntius Périsset: „Die Heiligen sind immer erfinderisch"
Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Périsset, nahm an der Eröffnung des Kongresses in Freising teil. Er rief die Ortskirchen zu einem vermehrten pastoralen Engagement „im Dienst an den Gemeinden der Zigeuner" auf. Er wisse aus eigener Erfahrung während seiner neunjährigen Amtszeit als Apostolischer Nuntius in Rumänien, dass die Erziehung junger Zigeuner vor allem Geduld und Zusammenarbeit mit den Eltern erfordere. Der Weltkongress solle einen Impuls geben, Schwierigkeiten zu überwinden. Auch durch eventuelle Misserfolge sollten sich die Seelsorger von ihrem Dienst an den Zigeunern nicht aufhalten lassen.

Der Nuntius erwähnte in diesem Zusammenhang eigens auch die vielen Wanderschaften und Pilgerfahrten des heiligen Korbinian, der als Bischof im 8. Jahrhundert im Gebiet um Freising den christlichen Glauben verkündete und seither als geistlicher Vater und Patron des Erzbistums verehrt wird. In seiner Zeit sei Korbinian „ein Mann der Straße" gewesen, sagte der Nuntius. Berühmt sei seine Pilgerschaft nach Rom, auf der er sein Gepäck einem Bären auflud, der zuvor sein Lasttier getötet habe. „Die Heiligen sind immer erfinderisch - mit Gottes Hilfe - um in jeder scheinbar unlösbaren Lage eine Lösung zu finden", sagte Erzbischof Périsset wörtlich.