Auch die Kirchen müssen ethisches Investment oft erst noch lernen

Nachhilfe vonnöten?

Auch die Kirchen lassen bei der globalen Finanzkrise Federn: Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg hatte bei der Pleite gegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers über vier Millionen Euro angelegt. Die Hilfswerke "Brot für die Welt" und Caritas sollen sich mit vielen Millionen Euro an Spekulationsgeschäften beteiligt haben, meldet nun die Stuttgarter Zeitung. Ein Interview mit dem Bundestagsabgeordneten und ZdK-Mitglied Peter Weiß über die Rolle der Kirche in der Finanzkrise und nötige Nachhilfe in Sachen ethischer Geldanlage.

 (DR)

domradio: Es gab schon einige ethische Appelle von Bischöfen, der Geldgier abzuschwören. Reicht das?
Weiß: Es ist sicherlich Aufgabe der Bischöfe, zuallererst in dieser Situation mahnend den Finger auf die Fehlentwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten zu legen. Aber die die Kirchen könnten natürlich etwas Zusätzliches tun. Nämlich sich mit ihrem eigenen Anlageverhalten als ethisch verantwortlich Handelnde zu profilieren.

domradio: Tun sie das bislang nicht?
Weiß: Das tun sie sicherlich schon heute in einem großem Umfang. Aber man könnte durchaus mehr tun: Z.B. ihr Anliegen durch eine gemeinsame Wahrnehmung von Stimmrechten, die man etwa durch Aktienbesitz erworben hat, auch geltend machen. Das passiert bis zum heutigen Tage wenig bis gar nicht.

domradio: Ist denn ein Bewusstsein vorhanden?
Weiß: Das Zentralkomitee Deutscher Katholiken hat unter meiner Federführung eine Erklärung und Handreichung zum ethischen Investment verfasst, um das Thema "Ethisch verantwortliche Geldanlage" im Deutschland insgesamt salonfähiger zu machen und natürlich die Kirchen aufzufordern in dieser Frage selbst stärker zu positionieren. Ich kann sagen, dass dieses Thema ein breites Interesse gefunden hat.

Selbstverständlich entscheidet jede Diözese, jeder Verband und jeder kirchliche Rechtsträger selbst, wie er in seiner Geldpolitik vorgeht. Aber ich kann feststellen, dass es ein großes Informationsbedürfnis gibt und auch das Bedürfnis, stärker gemeinsam zu handeln. Ich glaube, dass die Finanzmarktkrise im Nachhinein genau das bestätigt, was wir als Zentralkomitee vorgeschlagen haben. Nämlich, dass das Thema ethisches, nachhaltiges, umweltförderndes und das soziale Bewusstsein förderndes Anlageverhalten der richtige Weg ist. Auch um damit die Exzesse, die es auf dem Finanzmarkt gab, eher vermeiden zu können.

Deswegen bin ich der Überzeugung, dass das Interesse an unseren Handlungsempfehlungen deutlich zunehmen wird. Ich könnte mir schon vorstellen, dass damit insgesamt die Kirchen auch ihre Möglichkeiten stärker nutzen, zu einem ethisch verantwortlichen und vernünftigen Anlageverhalten beizutragen.

domradio: Könnte die katholische Kirche auch weltweit etwas bewirken?
Weiß: Die Kirchen sind ja unterschiedlich reich, aber es ist eine Frage der Einstellung. Die Kapitalmarktkrise hat ja überdeutlich gezeigt, dass allein das Nachrennen der Idee des schnellen Gewinns und des schnellen Geldes zu Fehlentwicklungen führen muss. Allerdings herrscht nach wie vor die Vorstellung, dass sich die Jagd nach der hohen Rendite nicht mit ethischen Grundsätzen vereinbaren lässt. Wir haben aber gezeigt, dass viele Studien mittlerweile nachweisen, dass sich mit einem ethischen Anlageverhalten genauso gut Rendite erwirtschaften lässt. Wenn dieses Bewusstsein stärker in die Köpfe der Anleger vordringt, dann wird sich etwas verändern.

Im internationalen Bereich müssen wir lernen, dass eine Forderung, die viele kirchliche Institutionen und auch der heilige Vater, die auch die Hilfswerke seit Jahren aufstellen, nämlich die Forderung nach einer internationalen Finanzarchitektur, die auch Regelungen, die durchsetzbar sind, kennt, natürlich jetzt neue Aktualität gewinnt. Und man kann nur hoffen, dass die Staaten dieser Welt bereit sind, gemeinsam die entsprechenden Konsequenzen aus dieser Krise zu ziehen.