Am Sonntag wird bundesweit der Reichspogromnacht gedacht

Als die Verfolgung organisiert wurde

In Deutschland wird am Sonntag an die Reichspogromnacht vor 70 Jahren erinnert. Dazu finden bundesweit zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt. Am 9. und 10. November 1938 zerstörten die Nationalsozialisten und ihre Anhänger jüdische Geschäfte und Einrichtungen, steckten Synagogen in Brand, verwüsteten jüdische Friedhöfe und töteten viele Juden.

 (DR)

In der Berliner Synagoge Rykestraße findet eine Gedenkveranstaltung des Zentralrats der Juden in Deutschland und der Bundesregierung statt. Die Reden halten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Zentralratsvorsitzende Charlotte Knobloch. Viele Kirchengemeinden wollen an der NS-Opfer mit Gottesdiensten, Vorträgen, Ausstellungen und Konzerten gedenken.

Viele Bundesländer erinnern mit weiteren Veranstaltungen an die NS-Opfer. In Köln werden in einer Gedenkfeier in der Synagoge in der Roonstraße am Sonntag auch Projekte von Jugendlichen zum Thema Holocaust und Vertreibung in der NS-Zeit vorgestellt. Die evangelische Kirche in München erinnert an die Opfer der Novemberpogrome in einem Gottesdienst am Sonntag in der St. Mätthaus-Kirche. Als Zeitzeuge wird Heinz Hermann Niemöller, sprechen. Er ist der Sohn des evangelischen Theologen und führenden Vertreters der Bekennenden Kirche, Pfarrer Hans Martin Niemöller (1892-1984).

Schwerpunkt der kirchlichen Gedenkfeiern in Nürnberg
Nürnberg ist ein Schwerpunkt der kirchlichen Gedenkfeiern. Dort gab der NS-Gauleiter Julius Streicher seit 1923 sein berüchtigtes Hetzblatt "Der Stürmer" heraus, das zu einem geistigen Zentrum des neuen, rassisch motivierten Antisemitismus wurde. 1935 wurden in der Stadt die "Nürnberger Gesetze" verabschiedet, und hier tobte der braune Mob in der Nacht von 9. auf 10. November 1938 besonders wütend: Alle jüdischen Geschäfte und Wohnungen wurden verwüstet und geplündert, die Synagoge in Brand gesteckt. Juden wurden ins Gefängnis getrieben oder anderntags in das Konzentrationslager Dachau deportiert. 19 der reichsweit 91 Todesopfer der Nacht kamen aus Nürnberg.

In Brandenburg sind am Sonntag Gedenkveranstaltungen und Kranzniederlegungen an früheren Standorten von märkischen Synagogen und auf jüdischen Friedhöfen in mehreren Städten vorgesehen. In Hamburg wollen die christlichen Kirchen unter dem Motto "Scherben bringen Unglück" an die Novemberpogrome erinnern. Zentrale Veranstaltung zum 70. Jahrestag ist ein Gedenken im Altonaer Rathaus am 9. November mit Bischöfin Maria Jepsen und Erzbischof Werner Thissen, teilte die Evangelische Akademie Nordelbien mit.

Ökumenische Buß- und Bittgottesdienste sollen am Sonntag in ganz Baden-Württemberg an Unrecht und Leid erinnern, das jüdischen Menschen angetan wurde. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) veranstaltet einen Gedenkgottesdienst am 9. November um 17 Uhr in der katholischen Stadtkirche St. Stephan in Karlsruhe.

Die Pogrome markierten den Übergang von der Diskriminierung
Die Novemberpogrome 1938 waren eine vom nationalsozialistischen Regime organisierte Zerstörung jüdischen Eigentums und Einrichtungen im Deutschen Reich. Dabei wurden mehrere hundert Menschen ermordet oder in den Tod getrieben. Die Pogrome markierten den Übergang von der Diskriminierung und Ausgrenzung deutscher Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung. Ab dem 10. November wurden zehntausende Juden in Konzentrationslagern inhaftiert.

Die Verfolgung mündete in die systematische Ermordung europäischer Juden im Machtbereich der Nationalsozialisten, den sogenannten Holocaust.