Kulturhauptstadt Vilnius bereitet sich auf Millenniumsfeier vor

Zurück in Europa

Vilnius ist die Hauptstadt Litauens und im kommenden Jahr neben Linz Kulturhauptstadt Europas. Außerdem feiert das "Rom des Nordens" 2009 den 1.000 Geburtstag seiner ersten Erwähnung. Genügend Gründe also, die Werbetrommel zu rühren. Und Vilnius macht genau das gerade mit großem Selbstbewusstsein.

Autor/in:
Inge Pett
 (DR)

In 277 Tagen um die Welt: Anfang Oktober stach die "Millennium Odyssey" in Klaipeda an der litauischen Ostseeküste in See. Am 6. Juli 2009 - dem Nationalfeiertag Litauens - soll sie wieder in ihren Heimathafen einlaufen. Bis dahin soll sie weltweit 24 litauische Gemeinden in 19 Ländern angelaufen haben - von Melbourne über Buenos Aires bis hin nach New York und Dublin. Ihre Mission: Litauer aller Länder einladen, gemeinsam die Millenniumsfeier Litauens zur ersten urkundlichen Erwähnung des Landes in den Quedlinburger Annalen 1009 zu begehen - zumal die Hauptstadt Vilnius 2009 gemeinsam mit Linz den Titel "Europäische Kulturhauptstadt" trägt.

Auch hierfür sind Botschafter im Einsatz - wenn auch nicht auf den sieben Weltmeeren, sondern im virtuellen Raum. "Join in!" (Mach mit) lautet die Einladung zum Botschafterprogramm. Wer immer eine Affinität für Vilnius verspüre, so Dalia Bankauskaite, Leiterin des "live Vilnius '09"-Projekts, könne sich online registrieren lassen, um den "litauischen Virus in den Mailboxen von Freunden zu verbreiten."

Der "litauische Virus"
Es gibt ihn tatsächlich, diesen "litauischen Virus", der überall in Vilnius spürbar ist: Es ist eine Stimmung der Rastlosigkeit, der Bewegung, des Gestaltungswillens. Aber auch der Standpunktsuche, der Neuorientierung, der Rückbesinnung. Nach Jahrzehnten sowjetischer Besatzung steht eine junge Generation vor der Herausforderung, sich neu zu (er-)finden. Diese Formulierung einer modernen kulturellen Identität spiegelt sich auch im Programm wider, mit dem Vilnius als Kulturhauptstadt 2009 das Interesse der Europäer auf sich lenken will. "Das ist längst an der Zeit", findet Bankauskaite, denn: "Wir wissen alles über sie - und sie wissen nichts über uns."

Dabei ist Vilnius, die nördlichste Barockstadt Europas, mit seinen 300 Kirchen ein kunsthistorisches Kleinod, oft bezeichnet als "Rom des Nordens", "Jerusalem des Ostens" oder auch "Stadt der Kreuze". Von jedem beliebigen Standort aus könne man drei Kreuze sehen, heißt es im Volksmund - und tatsächlich scheint sich diese Faustregel fast überall zu bewahrheiten. Auch Papst Johannes Paul II. (1978-2005) schwärmte von den "fröhlichen Kreuzen", als er Vilnius nach der Wende besuchte.

"Für uns war sein Kommen die innere Befreiung", erklärt die Deutschlektorin Laima Andriskyte. Unter sowjetischer Herrschaft waren die Christen verfolgt und viele Kirchen als Lagerhäuser zweckentfremdet. Doch diese Zeiten sind überstanden. Heute bekennen sich etwa 80 Prozent der Litauer zum Katholizismus.

Vilnius feiert sich wieder
Die Stadt feiert und inszeniert sich wieder. So sind etwa unter "Barock-Dialoge" ganzjährig Konzerte und Veranstaltungen in den Kirchen und Herrscherpalästen von Vilnius geplant. Im Projekt "Eisiges Barock" ahmen Künstler auf den Plätzen der Altstadt deren Prachtbauten aus Eis nach. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, ist etwa die Hälfte der rund 300 Veranstaltungen des "live Vilnius '09"-Projektes für Besucher kostenlos.

Bis in den hintersten Winkel soll die Stadt einbezogen werden. So ist für September das Projekt "Kunst in unerwarteten Räumen" geplant, das unter anderem Happenings in mittelalterlichen Innenhöfen oder in Schutzräumen der Sowjetzeit vorsieht. Dass Vilnius keineswegs nur Prachtbauten, sondern auch triste Vororte aufweist, erzählen die "Stadtgeschichten". Zur "10. Baltischen Triennale der Internationalen Kunst" schwärmen dafür Künstler und Stadtforscher in die Peripherie aus. Platte statt Barock - auch eine Facette der Stadt.

Und während in Litauen die Vorbereitungen für das Jubiläums- und Kulturhauptstadtjahr bereits auf Hochtouren laufen, kreuzt die "Millennium Odyssey" über die Ozeane, um die Botschaft eines aufstrebenden, wiedergeborenen Landes um die Welt zu tragen: Litauen, so die Botschaft, ist zurück in Europa.