Dalai Lama will sich weiter für die Sache Tibets einsetzen

Pensionierung ausgeschlossen

Sechs Tage lang berieten die Exiltibeter im indischen Bergstädtchen Dharamsala über ihren zukünftigen Kurs, doch vom berühmtesten aller Tibeter war nur ein Foto zu sehen. Am Sonntag erst beendete der Dalai Lama alle Spekulationen: "Ein Rückzug steht außer Frage", verkündete das religiöse Oberhaupt der Tibeter. "Es ist meine moralische Verantwortung, die Tibeter bis zu meinem Tode zu führen." Zuvor hatte der Dalai Lama, der von seinem Volk als Gott verehrt wird, gezielt Gerüchte über seinen Rücktritt angeheizt.

Autor/in:
Agnes Tandler
 (DR)

«Ich für meinen Teil habe aufgegeben», sagte er noch vor einigen Wochen. Und er schockierte seine Anhänger mit der Aussage, sein «mittlerer Weg», von China Autonomie für Tibet und nicht Unabhängigkeit zu fordern, sei ein Fehlschlag gewesen. Mehrere Krankenhausaufenthalte des 73-Jährigen in den vergangenen Monaten verstärkten den Eindruck noch, der berühmteste Mönch der Welt könne aufgeben.

Das Jahr ist für die Tibeter wenig erfreulich verlaufen. Im Frühjahr schlug die chinesische Armee einen Aufstand in Tibet blutig nieder. Etwa 200 Menschen, die Mehrheit von ihnen Tibeter, starben. Verhandlungen mit Peking verliefen im Sande. Stimmen mehrten sich, die Tibeter hätten statt des mittleren Weges der Autonomie besser die Unabhängigkeit der Region von China verlangen sollen.

Der Dalai Lama nahm das zum Anlass, ein Krisentreffen im indischen Dharamsala einzuberufen, um damit das Schicksal des Bewegung in die Hände des Volkes zu legen - das erste Mal in fast sechzig Jahren im Exil. Sechs Tage berieten rund 600 Delegierte über den zukünftigen Kurs der Bewegung. Die überwiegende Mehrheit unterstützte den Kurs des Dalai Lama.

Radikalere Stimmen, die sich für eine Unabhängigkeit der Region aussprachen, konnten sich bei dem Treffen nicht durchsetzen. Der tibetische Jugendkongress, eine Organisation von etwa 30.000 Mitgliedern, die für die Unabhängigkeit Tibets kämpft, war nur mit zwei Delegierten vertreten.

Doch auch für viele der Tibeter, die sich eine radikalere Gangart wünschen, bleibt der Dalai Lama unangefochtener Führer der Bewegung. «Es gibt auch viele Jugendliche, die den mittleren Weg des Dalai Lama unterstützt haben», sagt Chenga Tsering, ein Berufsberater für tibetische Jugendliche in Neu-Delhi. «Wir haben keinen anderen visionären Führer wie ihn. Niemand kann das Vakuum füllen», sagt Youdon Aukatsang, ein Vertreter der tibetischen Exilregierung.

Die meisten Tibeter wissen ohnehin, dass sich kaum ein Staat in absehbarer Zeit mit der Großmacht China in dieser Frage anlegen wird. Und kaum jemand geht davon aus, dass China in der nächsten Zeit seine harte Haltung in der Tibet-Frage revidieren wird. In der globalen Finanzkrise braucht der Westen China mehr denn je als devisenstarken Partner. Da ist die Frage, ob die Tibeter nun Autonomie oder Unabhängigkeit verlangen sollen, kaum relevant.

Doch der Dalai Lama macht seinen Anhängern mit der Ankündigung, weiter für Tibet zu kämpfen, wieder Hoffnung. Ohne ihren spirituellen Superstar stünden die Tibeter ziemlich verloren da.