Durchgangslager Friedland erwartet die ersten Irak-Flüchtlinge

Die Helfer sind bereit

Anfang März, vielleicht auch bereits Ende Februar, sollen die ersten der 2.500 irakischen Flüchtlinge, die Deutschland aufnehmen wird, im Grenzdurchgangslager Friedland eintreffen. Mitarbeiter des Bundesamts für Migration wählen derzeit Kandidaten aus. In welchem Gesundheitszustand sie im in Friedland bei Göttingen eintreffen werden, welche Art von Hilfe sie benötigen, weiß hier noch niemand.

Autor/in:
Annedore Beelte
 (DR)

«Wir sind vorbereitet, aber wir wissen nicht, worauf». Thomas Heek, Leiter der Caritasstelle Friedland, steht vor einem Dilemma.

Das Lager, das dem niedersächsischen Innenministerium untersteht, dient nicht zum ersten Mal Menschen aus Krisenregionen als erste Anlaufstelle. 1956 kamen die Ungarnflüchtlinge, 1978 die «Boat People» aus Vietnam, 1984 Tamilen aus Sri Lanka, 1990 rund 400 Albaner. Das Lager wurde 1945 für Flüchtlinge, Vertriebene und Kriegsheimkehrer eingerichtet. Durch seine Lage auf dem Grenzpunkt zwischen der britischen, amerikanischen und sowjetischen Besatzungszone war Friedland der ideale Standort.

Derzeit werden Spätaussiedler und jüdische Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion hier registriert und auf die Bundesländer verteilt. Angesichts der zurückgehenden Aussiedlerzahlen schienen die Tage des Lagers schon öfter gezählt. Doch mit den halbjährigen Integrationskursen, die derzeit rund 500 Aussiedler in Friedland absolvieren, ist eine neue Aufgabe gefunden. «Bei 24 laufenden Kursen», sagt Heek, «sind wir bestens ausgelastet.»
500 Flüchtlinge pro Quartal
Zum alltäglichen Betrieb kommen nun, voraussichtlich in Gruppen von 500 pro Quartal, die Irak-Flüchtlinge hinzu. «Es ist eine Herausforderung, aber wir werden das leisten», zeigt sich Einrichtungsleiter Heinrich Hörnschemeyer zuversichtlich. Die Flüchtlinge werden das übliche zweiwöchige Aufnahmeverfahren durchlaufen. Einige sollen danach noch drei Monate lang einen Integrations-Crashkurs absolvieren. Verhandlungen hierzu laufen mit den aufnehmenden Bundesländern.

Doch Flüchtlingsorganisationen üben bereits Kritik: Die Flüchtlinge bräuchten zuerst psychologische Hilfe statt Deutschkurse. Caritasleiter Heek sieht das differenziert: «Wir können Therapieangebote vermitteln, aber wir wissen nicht, ob Bedarf da sein wird.» Symptome eines Belastungssyndroms, weiß er, zeigen sich oft erst, wenn der Stress nachlässt.

"Niemand wird gedrängt"
Lagerchef Hörnschemeyer weist die Kritik zurück: «Niemand wird in einen Integrationskurs gedrängt, der dazu nicht in der Lage ist.» Die Flüchtlinge könnten den Kurs auch am Wohnort absolvieren, der ihnen zugewiesen wird. Hier, meint Pastor Martin Steinberg, der evangelische Seelsorger im Lager, sind auch die Kirchengemeinden vor Ort in der Pflicht, sich der Flüchtlinge anzunehmen.

In Göttingen und Umgebung, berichtet er, mangelt es nicht an
Hilfsangeboten: Ein Nachbarschaftszentrum will die irakischen Frauen zum Mutter-Kind-Frühstück einladen. Eltern bieten sich an, Flüchtlingsfamilien zum Kinderarzt zu begleiten. Eine Gemeinde hat schon einen Zauberer organisiert, um den Kindern einen sorglosen Nachmittag zu bieten - ohne Sprachbarrieren. Auch in der katholischen Gemeinde Sankt Norbert in Friedland ist Thomas Heek auf große Hilfsbereitschaft gestoßen. Doch er will zunächst sehen, was die Menschen benötigen. «Wie viel Hilfe kann man den Irakern überhaupt in zwei Wochen zumuten?», fragt er.

Sämtliche Caritas-Mitarbeiter - von der Beraterin bis zur Reinigungskraft - haben eine Weiterbildung zum Umgang mit Traumatisierten erhalten. Sie wissen nun, dass man die Flüchtlinge keinem Druck aussetzen soll, dass sie nichts mehr brauchen als Ruhe. An einem mangelt es bei der Caritas indes noch: Die Finanzierung der Dolmetscher, die nicht nur Übersetzer, sondern auch Vermittler zwischen den Kulturen sein müssen, steht noch nicht.