Lateinischer Patriarch von Jerusalem zur Papst-Reise

"Ein delikater Moment in einer schwierigen Region"

Vom 8. bis 15. Mai wird Benedikt XVI. nach Jordanien, Israel und in die Palästinensischen Gebiete reisen. Im mehrheitlich muslimischen Jordanien werde der Papst mit Begeisterung erwartet, sagt der Lateinische Patriarch von Jerusalem, der Jordanier Fouad Twal, im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur am Donnerstag in Jerusalem. In Israel und den Palästinensergebieten sei die Situation dagegen komplexer.

Fouad Twal: Der Lateinische Patriarch von Jerusalem (KNA)
Fouad Twal: Der Lateinische Patriarch von Jerusalem / ( KNA )

KNA: Herr Patriarch, wie laufen die Vorbereitungen für den Papstbesuch?
Twal: In jedem Land unterschiedlich. In Jordanien hat die Kirche beste Beziehungen zur Regierung. Dort war die Planung innerhalb weniger Wochen abgeschlossen. Es hat genügt, dass König Abdullah II. den Papst zu seinem persönlichen Gast erklärt hat, damit das ganze Land sich in Bewegung setzte. Die Regierung übernimmt die Deckung aller großen Ausgaben. Der Besuch des Heiligen Vaters wird in meiner Heimat ein großes Fest werden.

KNA: Und in Israel und den Palästinensergebieten?
Twal: Dort sind die Vorbereitungen schwieriger - zum einen wegen der vielen Sicherheitsmaßnahmen, die getroffen werden, aber auch weil die Lage insgesamt gespannt ist. Der Papst kommt in einem delikaten Moment in eine schwierige Region, deren Einwohner allzu sensibel sind, besonders nach dem jüngsten Krieg in Gaza.

KNA: In Jordanien sind nur vier Prozent der Einwohner Christen. Und dennoch ist der Besuch des katholischen Kirchenoberhauptes ein solches Ereignis?
Twal: Meine Heimat ist bekannt für ihre orientalische Gastfreundschaft. Der Papst gilt als Freund und Gast des Landes und wird mit großer Herzlichkeit empfangen - auch von der muslimischen Mehrheit. Das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen ist bei uns entspannt: Wir reden nicht viel über Dialog, wir leben ihn im Alltag. Die muslimischen Kinder gehen auf christliche Schulen, in christlichen Einrichtungen werden muslimische Behinderte und Kranke gepflegt. Diese Sprache der Nächstenliebe versteht jeder.

KNA: Welche Programmpunkte des Besuchs in Jordanien sind zentral?
Twal: Da ist zunächst die große Papstmesse im Stadion von Amman, zu der Tausende Menschen erwartet werden, darunter auch christliche Flüchtlinge aus dem Irak. Bei dieser Gelegenheit werden voraussichtlich 2.000 Kinder ihre Erstkommunion feiern. Außerdem werden zu dieser Messe die vier anderen katholischen Patriarchen des Orients erwartet: Der maronitische Patriarch Nasrallah Sfeir, der melkitische Patriarch Gregoire III. Laham, der chaldäische Patriarch Emmanuel III. Delly und der katholisch-armenische Patriarch Nerses Bedros XIX. Tarmouni. Sie werden dort den Papst treffen, denn nach Israel dürfen sie wegen ihrer Herkunftsländer nicht einreisen.

KNA: Es wird auch ein interreligiöses Treffen an der König-Hussein-Moschee in Amman geben. Klingt da auch die Erinnerung an die Papst-Rede in der Universität von Regensburg an, die 2006 zu heftigen Unruhen in der muslimischen Welt führte?
Twal: Das glaube ich nicht. Inzwischen wurde allgemein verstanden, dass das Papst-Zitat von Regensburg aus dem Zusammenhang gerissen und für antipäpstliche Propaganda missbraucht wurde. Im Übrigen hatte das Ereignis damals die erfreuliche Folge, dass 138 muslimische Gelehrte intensiven Kontakt zum Vatikan aufnahmen. Daraus sind fruchtbare interreligiöse Treffen gewachsen, von denen das nächste übrigens kurz nach dem Papstbesuch am 20. und 21. Mai in Amman stattfinden wird.

KNA: Menschenrechtler bemängeln in Jordanien immer wieder mangelnde Meinungs- und Pressefreiheit. Ist das für die Christen dort ein Problem?

Twal: So würde ich das nicht sehen. In Jordanien gibt es Meinungsfreiheit, nur muss man seine Worte gut wählen. Und die Königsfamilie muss respektiert werden, das ist ein Dogma. Aber andere Regierungsmitglieder zu kritisieren, ist schon möglich. Man darf auch nicht vergessen, dass der ganze Nahe Osten in einer Krise steckt - und dass in diesem ganzen Kontext Jordanien das Land ist, das am wenigsten betroffen ist. Es gibt politische Stabilität, was eine generelle gesellschaftliche Entspanntheit mit sich bringt. Davon profitieren auch die Christen.

KNA: Nach Jordanien besucht der Papst die zentralen heiligen Städte des Christentums im Nahen Osten: Jerusalem, Bethlehem und Nazareth. Die Christen dort sehen dem Besuch mit gemischten Gefühlen entgegen, viele befürchten eine politische Vereinnahmung.
Twal: Diese Furcht müssen wir endlich ablegen. Der Papst kommt, um uns in dieser schwierigen Zeit zu ermutigen. Und nun ist es an uns, seinen Besuch gelingen zu lassen. Vielleicht erkennen viele Gläubige noch nicht die zahlreichen Dimensionen dieser Visite. Sie kann etwa den Tourismus stärken, von dem das finanzielle Überleben vieler christlicher Familien abhängt. Außerdem trifft der Papst nicht nur die Vertreter Israels, sondern genauso auch die palästinensischen Verantwortlichen und das palästinensische Flüchtlingslager Aida.

KNA: Nach dem Besuch seines Vorgängers im Jahr 2000 hatte es Klagen gegeben, dass die einheimischen Christen den Papst kaum sehen konnten. Wird das dieses Mal anders sein?
Twal: Genau darum gibt es diesmal die drei großen Gottesdienste in Jerusalem, Bethlehem und Nazareth. Wir hoffen, dass so viele Gläubige wie möglich daran teilnehmen können. Leider werden die israelischen Sicherheitsmaßnahmen die Zahlen stark einschränken. Aber alle Pfarrer werden Listen mit Teilnehmern einreichen - wir hoffen, dass so viele wie möglich davon Genehmigungen erhalten.

KNA: Haben Sie die Hoffnung, dass der Papstbesuch in dem festgefahrenen Konflikt etwas bewegen kann?
Twal: Die Haltung Benedikt XVI. zum Nahen Osten ist hinlänglich
bekannt: Er wünscht sich ein Heiliges Land, das seiner Berufung zur Heiligkeit gerecht wird und offen für alle Menschen ist. Das ist derzeit nicht der Fall, jedenfalls nicht für die Christen und Muslime, für die Araber. Ich hoffe, dass er hier seinen Appell für mehr Gerechtigkeit und Frieden erneuern wird. Wir Christen sind gegen jede Gewalt, egal von wem sie ausgeht. Wir haben in den vergangenen 60 Jahren genug gelitten, wir brauchen dringend etwas Neues. Deshalb hoffen wir, dass der Papstbesuch zusammen mit dem Gebet und der moralischen Kraft des Heiligen Stuhls etwas bewegen kann.