Kirchentag will neue Debatte über Verantwortung auslösen

Das Ende der Neid-und-Gier-Phase

Die Präsidentin des 32. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Bremen, Karin von Welck, erwartet von dem Christentreffen in Bremen eine neue Debatte über Verantwortung. "Das Ende der Neid-und-Gier-Phase scheint gekommen zu sein", sagte Welck am Mittag in der Hansestadt wenige Stunden vor der Eröffnung. Diesen Moment wolle der Kirchentag ausnutzen und die Gesellschaft dazu aufrufen, zu einer Verantwortungsgesellschaft zu werden.

 (DR)

Die Kirchentagslosung «Mensch, wo bist du?» öffne den Raum für viele Antworten, die die Maßstäbe des Menschlichen einbringen. In der aktuellen Lage gehe es «nicht nur um die Krise der Wirtschaft, sondern auch um die sozialen Verwerfungen, die zunehmen», sagte die parteilose Hamburger Kultursenatorin Welck. «Es geht um die ökologische Krise und die Bewältigung ihrer Folgen, die keinen Aufschub mehr duldet.» Welck kündigte überdies eine Bildungsdebatte während des Kirchentages an: «Für die Zukunft der Demokratie ist es überlebenswichtig, dass ausnahmslos alle Kinder eine gute Bildung erhalten.»

Zur Kirchentagseröffnung am Abend waren drei parallele Gottesdienste und ein «Abend der Begegnung» geplant. Zu dem fünftägigen Protestantentreffen mit rund 2.500 Veranstaltungen erwarten die Organisatoren etwa 100.000 Dauerteilnehmer. Für den Eröffnungsabend wurde mit bis zu 300.000 Menschen gerechnet. Der Kirchentag begeht in Bremen sein 60-jähriges Bestehen. Der erste Kirchentag fand 1949 in Hannover statt.

Renke Brahms, leitender Theologe der gastgebenden Bremischen Evangelischen Kirche, sagte, er erhoffe sich vom Kirchentag «klare Signale für ein Umdenken in Richtung Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit». Niemand kenne die Auswirkungen der Wirtschaftskrise. «Nur eins ist klar: Wir können nicht so weiter machen wie bisher.» Die Gesellschaft müsse wegkommen von einem an Götzendienst grenzenden Wachstumsdenken, das sich nur an materiellen Maßstäben messe. Die Generalsekretärin des Kirchentages, Ellen Ueberschär, sagte: «Was aus christlicher Überzeugung zu den akuten Problemen zu sagen ist, das muss auf dem Kirchentag zu hören sein.»

Vom Bremer Kirchentag mit seinen fahrradfreundlichen und klimabewussten Organisation soll Ueberschär zufolge die Botschaft ausgehen, dass Lebensqualität jenseits von Wachstum möglich sei - «und jeder kann etwas tun». Wenige Monate vor der Klimakonferenz in Kopenhagen stünden mit Mobilität, Energie, Wasser und Ernährung die großen ökologischen Schlüsselthemen auf der Tagesordnung. Zu den Besonderheiten des Kirchentages in Bremen zählt, dass eine große Zahl von Teilnehmern mit dem Rad angereist ist. Sie wurden am Mittag vom Oldenburger Bischof Jan Janssen begrüßt. «Wer in die Pedale tritt, fängt mit dem Klimaschutz schon an», sagte Janssen.

Am Vormittag fand bereits eine Schiffsparade auf der Weser statt. Das Leben auf dem Wasser spielt beim «Kirchentag der Schiffe» eine besondere Rolle. Bereits am Sonntag hatte das Hamburger Museumsschiff «Cap San Diego» im Bremer Europahafen festgemacht. Es dient während des Kirchentages als Veranstaltungsort.

Zum Selbstverständnis des Protestantentreffens als Laienbewegung sagte Generalsekretärin Ueberschär, der Kirchentag sei weder eine Bischofskonferenz noch ein verlängertes spirituelles Wellness-Wochenende oder ein Parteitag. «Ein aufgeklärter und selbstbewusster Glauben muss sich seiner Quellen gewiss sein und sich zugleich auf die gerechte Gestaltung der Gesellschaft im lokalen Umfeld und im Weltmaßstab ausrichten.»