Mit Sotomayor wird Oberster US-Gerichshof immer katholischer

Frau, Latina, Katholikin

Einst waren alle entscheidenden politischen Gremien in den USA fest in der Hand von sogenannten WASP - weißen angelsächsischen Protestanten. Nun scheint es immer wahrscheinlicher, dass das höchste Gericht des Landes eine deutliche katholische Mehrheit haben wird. Als Nachfolgerin des ausscheidenden Obersten Bundesrichters David Souter hat US-Präsident Barack Obama Richterin Sonia Sotomayor vorgeschlagen. Wird die Tochter puertorikanischer Einwanderer vom Senat bestätigt, wären sechs der neun Mitglieder des Supreme Court katholischen Glaubens.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Die Biografie der 54-Jährigen wird zur Zeit von Medien und Rechtsexperten eingehend analysiert - in der Hoffnung, in ihrer Vita auch Hinweise auf ihre künftige Rolle und ihr Abstimmungsverhalten im Obersten Gericht zu gewinnen. Ein Sprecher des Weißen Hauses erklärte: "Richterin Sotomayor wurde im katholischen Glauben erzogen und nimmt bei Familienfeiern und anderen wichtigen Ereignissen an Messen teil." Eine so knappe wie eindeutige Einordnung.

Ansonsten wird der Katholizismus der Kandidatin für den Gerichtshof von der Obama-Administration bislang wenig herausgestellt. Viel schlagzeilenträchtiger sind andere Aspekte ihrer Persönlichkeit. Geboren wurde sie in der Bronx, dem ärmlichsten der fünf New Yorker Stadtbezirke. Und: Wird sie vom Senat bestätigt - woran angesichts einer 59:40-Mehrheit der Demokraten bei einem momentan noch vakanten Sitz niemand zweifelt - wäre Sotomayor die erste Angehörige der hispanischen Bevölkerungsgruppe im Obersten Bundesgericht. Und sie wäre nach der aus Altersgründen ausgeschiedenen Sandra Day O'Connor und der trotz einer Krebserkrankung noch tätigen Ruth Bader Ginsburg erst die dritte Frau in diesem erlauchten und höchst einflussreichen Gremium.

Dennoch ist Sotomayors Glaube ein Pluspunkt im Nominierungsprozess - und in der öffentlichen Wahrnehmung. Sie gilt als eine Verfechterin religiöser Freiheiten und dürfte aufgrund eigener Erfahrungen das katholische Schulsystem wertschätzen. Die konservativen Kritiker, die vor allem auf ihre weithin als "gemäßigt" bezeichneten Stellungnahmen zur Abtreibungsfrage fokussieren werden, dürften es schwer haben, die Richterin als eine areligiöse, von keinen Gewissensskrupeln geplagte Linke darzustellen.

Nominierung bricht eine Art "Monopol"
Des Weiteren bricht ihre Nominierung, wie politische Beobachter betonen, eine Art "Monopol", das republikanische Präsidenten auf katholische Supreme-Court-Ernennungen zu haben schienen: Alle fünf momentan dort tätigen katholischen Juristen wurden von den Präsidenten Bush senior und Bush junior berufen. Der letzte demokratische Präsident, der einen katholischen Obersten Richter nominierte, war Franklin D. Roosevelt (1933-1945).

Insofern ist schon die Nominierung Sotomayors eine Besonderheit und manche Schlagzeile wert. Thema in den Anhörungen vor dem Senat und in der bereits von Anhängern - also Liberalen, Latino-Verbänden und Frauenvereinigungen - sowie Gegnern - also vor allem Republikanern und Abtreibungsgegnern - betriebenen Meinungsbildung dürfte ihre Religionszugehörigkeit dagegen kaum sein. Gravierender ist vielmehr ein Vorwurf, der die Medien beherrscht und auch von Persönlichkeiten wie dem früheren republikanischen Mehrheitsführer im Abgeordnetenhaus, Newt Gingrich, betrieben wird: Die Rede ist von "umgekehrtem Rassismus".

Die Übermacht der "WASP" ist Geschichte
Im Webportal "Youtube" etwa erfreut sich ein Video hoher Zugriffszahlen, auf dem Sotomayor einer Latina scheinbar grundsätzlich mehr Weisheit zuspricht als einem weißen Mann. Außerdem wird vermerkt, dass die Richterin gegen weiße Feuerwehrleute aus Connecticut entschieden habe, die sich rassistisch diskriminiert fühlten. Sie seien nicht befördert worden, weil kein schwarzer oder hispanischer Kollege mit ihnen die Bedingungen hierfür erfüllt hatte.

An den Mehrheitsverhältnissen im Senat ändert das freilich nichts. Und wenn Sotomayor schließlich auf der Gerichtsbank neben ihren fünf katholischen und zwei jüdischen Kollegen Platz nimmt, hat der Oberste Gerichtshof mit John Paul Stevens nur noch einen Protestanten. Die Übermacht der "WASP" in den USA ist Geschichte.