Neuer Schwung für den islamischen Religionsunterricht

Wenn Allah in die Schule kommt

Die Jahre langen Bemühungen um einen islamischen Religionsunterricht in Deutschland erhalten neuen Schwung. Mehrere Bundesländer haben zuletzt die Absicht bekundet, vorhandene Modellprojekte auszubauen. Am Mittwoch kündigte Nordrhein-Westfalen einen neuen Vorstoß an.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Laut Grundgesetz hat jede Glaubensrichtung das Recht auf schulischen Religionsunterricht. Voraussetzung ist aber, dass es sich um eine anerkannte Religionsgemeinschaft handelt - und das ist beim Islam schwierig, weil keine kirchenähnlichen Strukturen bestehen. Die Folge: Für die mehr als 700.000 muslimischen Schüler gibt es nirgendwo flächendeckenden Unterricht, der mit christlicher Religionslehre zu vergleichen wäre. Vielfach bleibt die religiöse Unterweisung den Moscheen überlassen - mit möglicherweise unangenehmen Folgen. Denn niemand kann kontrollieren, ob die Jugendlichen mit radikalen Ideen in Kontakt kommen.

Dass sich das ändern soll, ist Konsens. Doch wie, ist unklar. In vielen Bundesländern gibt es Modellversuche mit Islamkunde. Allerdings ist diese Form des Unterrichts kein bekenntnisorientierter Religionsunterricht, wie ihn das Grundgesetz im Blick hat.

Das soll in Nordrhein-Westfalen voraussichtlich ab dem Schuljahr 2010/2011 anders werden: Am Mittwoch kündigte NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) eine energische Initiative für das Bundesland mit den meisten Muslimen an. Geplant ist ein landesweiter Schulversuch für einen Islam-Unterricht, der in deutscher Sprache, unter deutscher Schulaufsicht und von in Deutschland ausgebildeten Lehrern erteilt werden soll.

Auch dieses Projekt werde rechtlich noch nicht einem bekenntnisorientierten Religionsunterrichts entsprechen, sagte der Minister. Inhaltlich werde er jedoch ähnliche Qualität haben. Das Fach soll - anders als die bisher an 128 Schulen erteilte Islamkunde - nicht am Nachmittag, sondern innerhalb der regelmäßigen Schulstunden unterrichtet werden und dann auch versetzungsrelevant sein. Laschet räumte ein, dass es sich um einen Kompromiss handelt, der aber "dringend notwendig" sei. Alle Anstrengungen für einen bekenntnisorientierten Islam-Unterricht hätten bislang zu keinem Erfolg geführt. Dazu benötige der Staat auf muslimischer Seite einen für alle Muslime repräsentativen Ansprechpartner.

Bewegung gibt es auch in Hessen: Kultusministerin Dorothea Henzler
(FDP) will einen Modellversuch für islamischen Religionsunterricht einführen. "Es besteht großer Bedarf", sagte sie. Die Hessen schauen auf Niedersachsen: Dort sind muslimische Verbände auf Landesebene zusammengerückt und haben eine "Schura" gegründet, einen Rat, der zusammen mit dem Staat die Grundsätze für einen solchen Religionsunterricht entwickelt hat. Seit 2003 gibt es das Modellprojekt, an dem sich derzeit 30 Schulen beteiligen. Erfahrung mit dem Islam-Unterricht hat auch Hessens Bildungs-Staatssekretär: Der Christdemokrat Heinz-Wilhelm Brockmann, auch Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, war zuvor Abteilungsleiter im niedersächsischen Kultusministerium und führend am dortigen Modell beteiligt.

Auch Bayern hat im Frühjahr eine Ausweitung des islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache angekündigt. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) plant einen auf fünf Jahre angelegten landesweiten Modellversuch auf der Basis des "Erlanger Modells". Seit Herbst 2003 erhalten muslimische Kinder an einer Erlanger Grundschule in allen Jahrgangsstufen Islamunterricht auf Deutsch. Bei der Lehrer- und Stoffauswahl wirkte ein islamischer Elternverein mit. Das "Erlanger Modell" bewegt sich zwischen neutraler Religionskunde und konfessionellem Religionsunterricht.

Zugleich läuft in Bayern mit Ende des Schuljahres die 1986 getroffene Vereinbarung zur Entsendung von Religionslehrern mit der Türkei aus. Künftig gibt es im Freistaat keine islamische Unterweisung in türkischer Sprache mehr - zugunsten des deutschsprachigen Modellversuchs.