Erzbischof Schick zum Verhältnis zwischen Polen und Deutschland

"Die Kirche hat wichtige Versöhnungsarbeit geleistet"

Am 1. September jährt sich zum 70. Mal der Überfall Deutschlands auf Polen und somit der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Der deutsche Vorsitzende der Kontaktgruppe der Deutschen und Polnischen Bischofskonferenz, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, im Interview.

Autor/in:
Christian Wölfel
 (DR)

KNA: Was plant die Kirche zum 70. Jahrestag des Kriegsbeginns?
Schick: Es wird am 30. August in der Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin ein Gedenkgottesdienst gefeiert. Die beiden Vorsitzenden der deutsch-polnischen Kontaktgruppe, Bischof Wiktor Skworc aus Tarnow und ich, sowie die Bischöfe der beiden Hauptstädte, der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky und Erzbischof Kazimierz Nycz aus Warschau werden der Eucharistie vorstehen. Die Katholiken in Berlin, auch die dortige Polnische Gemeinde sind eingeladen. Der Gottesdienst wird Schuld und Versagen beim Kriegsausbruch 1939, während und nach dem Krieg benennen. Wir werden um Vergebung und Versöhnung beten. Aber wir haben auch Grund zum Dank für den Frieden seit 1945 und für die guten Beziehungen, die zwischen Deutschland und Polen gewachsen sind. So können wir frohen Herzens auch um Frieden und gute Nachbarschaft von Deutschen und Polen in der Zukunft bitten.

KNA: Ziehen die Bischöfe damit einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der Geschichte?
Schick: Einen solchen Schlussstrich kann es nicht geben. Gute Beziehungen, auch zwischen Völkern, sind immer im Werden. Es muss deshalb auch immer neu um die guten Beziehungen zwischen Polen und Deutschland als wichtigen Baustein für den Frieden in Europa gerungen werden. Dabei ist es wichtig, die Vergangenheit zu thematisieren. Der Überfall des Hitlerregimes auf Polen am 1. September 1939 bleibt ein sehr schmerzliches und geschichtlich weiterwirkendes Faktum. Der Friede zwischen Polen und Deutschen ist für uns als Kirche eine bleibende Aufgabe.

KNA: Es sollte doch eine gemeinsame Erklärung geben. Nun scheint sie wegen Bedenken auf polnischer Seite nicht zustande zu kommen. Warum?
Schick: Das ist nicht richtig. Die Sekretariate der beiden Bischofskonferenzen arbeiten daran. Für uns als Kontaktgruppe war von Anfang wichtig, den Gottesdienst zu feiern, der von den Bischofskonferenzen gewollt ist. Unsere wichtigsten Erklärungen sind immer Gebete.

KNA: Welche Themen zwischen Deutschen und Polen sind nach wie vor heikel?
Schick: Das sind der 1. September 1939, der Krieg selbst mit seinen vielen Toten und Zerstörungen, die Vertreibungen und Umsiedlungen vor und nach 1945, die Zwangsarbeiter aus Polen in Deutschland und selbstverständlich der Genozid an den Juden in und aus Polen.

KNA: Die Frage der Vertreibung hat immer wieder für Streit gesorgt.
Welche Position bezieht die Kirche?
Schick: Die Deutsche und die Polnische Bischofskonferenz betonen gemeinsam seit Jahren, dass Vertreibungen ein Unrecht sind und nicht geschehen dürfen. Zugleich haben sie keinen Zweifel daran gelassen, dass Ereignisse der Vergangenheit nicht rückgängig gemacht werden können. Revanchismus muss ausgeschlossen sein.

KNA: Das Thema wird politisch immer wieder instrumentalisiert. Muss da die Kirche nicht zur Besonnenheit im Sinne der Versöhnung mahnen?
Schick: Die Vertreibungen während des Weltkriegs und in der Folgezeit sind immer noch geeignet, Emotionen zu entzünden - in Polen wie in Deutschland. Die Kirche in beiden Ländern ist bereits in der Vergangenheit jeder Form der politischen Verzweckung entgegengetreten. Das bleibt für uns auch heute und in der näheren Zukunft eine wichtige Aufgabe.

KNA: Welche Rolle hat die deutsch-polnische Kontaktgruppe 70 Jahre nach dem Überfall auf Polen?
Schick: Sie setzt fort und konkretisiert, was deutschen und polnischen Bischöfen vor allem seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein großes Anliegen ist: Wir wollen, dass die guten Beziehungen zwischen den Katholiken beider Länder einen Beitrag leisten zu einem friedlichen und partnerschaftlichen Verhältnis. Die Kirche hat wichtige Versöhnungsarbeit geleistet durch das Maximilian-Kolbe-Werk. Jetzt haben deutsche und polnische Katholiken, mit der Unterstützung der Bischofskonferenzen, gemeinsam die Maximilian-Kolbe-Stiftung gegründet, die Versöhnungs- und Friedensarbeit in ganz Osteuropa leisten will. Vorhaben dieser Art werden in der Kontaktgruppe vorangetrieben und abgestimmt. Die beteiligten Bischöfe treffen sich jedes Jahr und stehen auch sonst in ständigem Austausch, um die guten Beziehungen zu pflegen und etwaige Störungen sofort auszuräumen.