Türkei: Erdogan besucht Christen und trifft sich mit Patriarchen

Hoffnungsvolles Zeichen

Als erster türkischer Regierungschef hat Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Wochenende karitative Stiftungen der orthodoxen Kirche in der Türkei besucht. Wie die türkische Presse am Sonntag weiter berichtete, traf sich Erdogan bei seinem Besuch auf der Insel Büyükada vor Istanbul auch mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. An einem gemeinsamen Mittagessen nahmen demnach auch Vertreter anderer christlicher Kirchen und der jüdischen Gemeinde teil.

 (DR)

Erdogan bekräftigte bei dem Treffen den Berichten zufolge seinen Willen zu einer weiteren Demokratisierung der Türkei und einer Stärkung der Minderheitenrechte. Bartholomaios I. äußerte sich anschließend sehr ermutigt. Erdogan habe «unseren Wünschen aufmerksam zugehört», wurde der Patriarch zitiert. «Wir haben daraus große Hoffnung geschöpft.»

Der Regierungschef besuchte unter anderem ein Waisenhaus der griechisch-orthodoxen Kirche, das vor Jahren von den türkischen Behörden beschlagnahmt und den Christen erst kürzlich zurückerstattet worden war. Begleitet wurde Erdogan bei dem Besuch und seinen Gesprächen mit den Minderheitsvertretern von verschiedenen Regierungsmitgliedern. Unter anderem waren der EU-Minister und die Bildungsministerin dabei. In ihr Ressort würde eine Wiedereröffnung des orthodoxen Priesterseminars Calki fallen.

Das Seminar auf der Insel Heybeli im Marmarameer war 1971 im Zuge eines Verbotes privater Hochschulen in der Türkei geschlossen worden. Obwohl private Universitäten heute wieder erlaubt und verbreitet sind, durfte Chalki bisher nicht wieder eröffnen. Wegen der fortdauernden Schließung sieht sich das Ökumenische Patriarchat in seiner Existenz bedroht. Nach türkischen Vorschriften darf das Patriarchenamt nur von einem türkischen Staatsbürger bekleidet werden, der zudem in Istanbul leben muss. Solange das Seminar geschlossen ist, kann kein geistlicher Nachwuchs ausgebildet werden. Eine Wiedereröffnung von Chalki zählt zu einer Forderung der EU an die Türkei.

Zusammenstöße zwischen Christen und Wachpersonal
Im historischen Kloster Sümela an der türkischen Schwarzmeerküste ist es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Wachpersonal und Christen gekommen. Die Sicherheitskräfte gingen laut türkischen Medienberichten vom Sonntag gegen christliche Glaubenstouristen vor, die in dem Kloster beten wollten. Mehrere hundert orthodoxe Gläubige aus Griechenland, Russland und Georgien seien anlässlich des Feiertages Entschlafung der Gottesmutter, im Westen Mariä Himmelfahrt, am Samstag angereist.

Die örtlichen Behörden hätten ihnen aber die erbetene Genehmigung zu einem Gottesdienst im Kloster verweigert, das von ihnen als Museum betrachtet wird. Als die Gläubigen dennoch mit Ikonen und Kerzen in die Kirche zogen, löschten die Wachmänner den Berichten zufolge die Kerzen mit Wasser und drängten die Betenden hinaus. Dabei sei es zu Rangeleien und Handgreiflichkeiten gekommen.

Das orthodoxe Kloster Sümela, das für seine dramatische Lage an einem Steilhang bekannt ist, wurde im vierten Jahrhundert gegründet. Es hat für die orthodoxen Kirchen einen besonderen Stellenwert, weil dort jahrhundertelang eine legendäre Ikone der Muttergottes aufbewahrt wurde. Das Kloster gehörte zur griechisch-orthodoxen Kirche, bis die griechische Bevölkerung der anatolischen Schwarzmeerküste im Zuge des Bevölkerungsaustausches zwischen Griechenland und der Türkei nach dem Ersten Weltkrieg ausgewiesen wurde.