Italien: Politiker und Kirchenleute erschrocken über Eskalation

Bemühen um Schadensbegrenzung

Plötzlich sind alle erschrocken über die Eskalation in den Spannungen zwischen Staat und Kirche in Italien und um Schadensbegrenzung bemüht. Auf allen Seiten herrscht Irritation über das Ausmaß des Scherbenhaufens, der durch die Polemik um das restriktive Einwanderungsgesetz entstanden ist. Zuletzt war die Krise durch pikante Enthüllungen über den Chefredakteur der katholischen Zeitung "Avvenire" nochmals verschärft worden.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Nach Serie von Attacken und Drohungen gegen Kirche und Bischöfe sucht nun die «Lega Nord» den Kontakt zum Vatikan. Ihr Chef Umberto Bossi will gemeinsam mit seinem Parteifreund Roberto Caledroli, Minister im Kabinett von Silvio Berlusconi, nach Rom reisen, kündigte er am Wochenende in Bergamo an.

Zuvor hatte bereits Regierungschef Berlusconi versucht, eine Ausweitung des Konflikt zu verhindern. Öffentlich distanzierte er sich von den Behauptungen gegen den «Avvenire»-Chefredakteur Dino Boffo. Die seinem Familien-Clan gehörende Zeitung «Il Giornale» hatte behauptet, der katholische Journalist sei homosexuell und wegen Belästigung und Nötigung der Frau seines Freunde gerichtlich belangt worden. Boffo wies in der Sonntagsausgabe seines Blattes diese Vorwürfe zurück: Die angebliche Gerichtsnote sei eine Fälschung. Als Kronzeugen präsentierte er Innenminister Roberto Maroni von der «Lega Nord», der ihm seine Solidarität bekundet und ihn darüber informiert habe, dass eine sofort eingeleite Untersuchung «nichts zum Vorschein» gebracht habe.

Auch die politische Opposition nutzt den Moment. Berlusconi führe Regie in der Attacke gegen die Kirche, behauptete Senator Felice Belisario von der liberalen Partei «Italien der Werte» (IdV). Es sei unmöglich, dass Berlusconi von den Attacken auf Boffo in «Il Giornale» nichts gewusst habe. Rückendeckung erhält Boffo ebenso von der Italienischen Bischofskonferenz (CEI), die den «Avvennire» herausgibt. Die Attacken seien «geschmacklos und sehr schwerwiegend», betonte der CEI-Vorsitzende Kardinal Angelo Bagnasco.

Auffallend ist die Zurückhaltung des Vatikan. Der «Osservatore Romano» ging bislang auf den Vorgang nicht ein, zitierte lediglich am Ende einer langen Predigt-Meldung die Kritik von Bagnasco. Schon in der Polemik der vergangenen Wochen hatte sich der Vatikan kaum geäußert. Kein offizielles Wort über das Privatleben Berlusconis.
Nur ganz allgemeine Äußerungen zum Ausländerrecht - etwa, dass eine «internationale Rechtsvereinbarung zwischen Ursprungs-, Transit- und Zielländern» von Flüchtlingen und Migranten notwendig sei.

Im Gegensatz dazu hatten einzelne italienische Bischöfe oder Flüchtlingsbeauftragte für ihre Kritik am Gesetz sehr deutliche Worte gefunden. Auch kirchliche Medien wie die auflagenstarke Wochenzeitschrift «Famiglia Cristiana» oder der «Avvenire» waren eingestiegen. Nicht alle Formulierungen hatten dem Vatikan gefallen, so etwa der im «Avvenire» angestellte Vergleich mit dem Verhalten der Westmächte gegenüber der Schoa.

Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone bemüht sich seit seinem Amtsantritt, die Kirchenkontakte mit der italienischen Regierung wieder stärker unter Vatikan-Regie zu bringen. Hier hatte der frühere Bischofskonferenz-Vorsitzende Kardinal Camillo Ruini freie Hand gehabt. Seinen Nachfolger Bagnasco bemüht sich Bertone stärker an die Hand zu nehmen.

So hatte Bertone auch die Signale auf Entspannung gesetzt, als er vergangenen Freitag in einem langen Interview mit dem «Osservatore Romano» die Regierung für die Aufbauarbeit im mittelitalienischen Erdbebebengebiet lobte. In L'Aquila sollte er am selben Tag mit Berlusconi zusammentreffen. Nach dem «Giornale»-Eklat platzte das Treffen. Stattdessen redete Bertone mit Berlusconis Staatssekretär und Kirchenbeauftragen Gianni Letta. Und mit diesem dürfte er bereits nächste Schritte für eine Beruhigung der Irritationen zwischen Staat und Kirche angesprochen haben.