Gegner und Befürworter der "anonymen Geburt" erwarten gespannt die Stellungnahme des Ethikrates

Fluch oder Segen?

Anonyme Geburten sind in Deutschland seit Jahren heftig umstritten und gesetzlich nicht geregelt. Frauen, die unter falschem Namen entbinden, können rechtlich belangt werden. Allerdings gibt es bundesweit rund 130 Kliniken, bei denen Frauen - bislang straffrei - anonym entbinden können. Der Deutsche Ethikrat will heute eine Stellungnahme zu Babyklappen und anonymen Geburten abgeben. Das Thema wurde in dem Gremium kontrovers diskutiert.

Autor/in:
Dirk Baas und Christine Süß-Demuth
 (DR)

Befürworter und Gegner der anonymen Geburt blicken mit Spannung auf die Akademie der Wissenschaften nach Berlin. Dort will der Ethikrat am Donnerstag seine lange erwartete Stellungnahme «Das Problem der anonymen Kindesabgabe» veröffentlichen. Welche Position der Ethikrat vertreten wird, gilt als offen, aber klar ist: Für Babyklappen und Einrichtungen zur anonymen Geburt fehlen nach wie vor die Rechtsgrundlagen.

Das anonyme Hinterlassen eines Kindes ist illegal. Die Mutter, der Vater oder in den Einrichtungen beteiligte Dritte verstoßen gegen die Meldepflichten des Personenstandsgesetzes und begehen damit eine Ordnungswidrigkeit.

Die Politik tut sich schwer damit, diese Grauzone juristisch
auszuleuchten: Vier Gesetzesentwürfe gab es seit 2001. Alle Initiativen scheiterten, weil sie verfassungsrechtlich mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft sowie auf Erziehung durch die Eltern kollidierten.

Dennoch lassen die Befürworter der anonymen Geburt, darunter viele Kirchenvertreter, nicht locker: Sie fordern weiter die Legalisierung dieser Angebote. Anders lasse sich das Leben der Neugeborenen nicht schützen. Sie hoffen, dass weniger Babies getötet oder ausgesetzt werden.

Die Kinderschutzorganisation terre des hommes hält dagegen:
Frauen, die ihr Neugeborenes töten, könnten in ihrer psychischen Extremsituation diesen Ausweg gar nicht in Anspruch nehmen. Anke Rohde, Leiterin der Gynäkologischen Psychosomatik am Bonner Universitätsklinikum, verweist darauf, dass die Zahl der Kindstötungen seit Einführung von Babyklappen und anonymer Geburt nicht zurückgegangen sei. Sie liege bei 30 bis 40 Fällen jährlich, die Dunkelziffer sei unbekannt.

Solche Einwände lässt die Pforzheimer Beratungsstelle «Ausweg» nicht gelten. Wenn Schwangere allein entbinden, «geht es für das Kind dabei oft um Leben und Tod», sagte Reinhard Klein von der Beratungsstelle dem epd. Oft würden die Frauen ganz allein und unter «schlimmsten Bedingungen» zu Hause oder auf einer öffentlichen Toilette ihr Baby zur Welt bringen. Für Klein ist ganz klar, dass das Leben des Kindes Vorrang hat.

In Pforzheim gibt es ein verzweigtes Hilfenetz, das die Frauen schon während der Schwangerschaft bei Bedarf begleiten will und Verschwiegenheit garantiert. Bundesweit einmalig sei es, so Klein, dass es schriftliche Kooperationsverträge nicht nur mit zwei Geburtskliniken gebe, sondern auch mit niedergelassenen Ärzten für Hausgeburten und Hebammen sowie einem Kinderarzt und dem Deutschen Roten Kreuz für Transporte in die Klinik. Wichtig sei, dass Betroffene während der ganzen Zeit der Betreuung anonym bleiben könnten.

Der enge und möglichst frühe Kontakt zahle sich aus: «Oftmals lassen sich mit den Frauen doch noch gemeinsame Perspektiven für Mutter und Kind entwickeln», sagt Klein.