Koch entschuldigt sich bei Verleihung des Hessischen Kulturpreises

Versöhnliches Finale

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch hat am Donnerstagabend in Wiesbaden den mit 45.000 Euro dotierten Hessischen Kulturpreis 2009 verliehen. Vorausgegangen waren monatelange Querelen - für die sich Koch nun bei Preisträger Navid Kermani entschuldigte. Der spendete sein Preisgeld Franz Meurer. Im domradio-Interview bedankt sich der katholische Pfarrer und spricht darüber, wie er die Spende einsetzen will.

 (DR)

Roland Koch ist ein geübter und gewandter Redner, doch am Donnerstagabend bei der Verleihung des Hessischen Kulturpreises in Wiesbaden geriet seine Rede zeitweise ins Stocken. Koch entschuldigte sich beim Schriftsteller und Orientalisten Navid Kermani dafür, dass dieser im Frühjahr von Journalisten und nicht vom Kuratorium des Kulturpreises erfahren hatte, dass ihm die Auszeichnung wieder aberkannt worden war. Er entschuldige sich persönlich, dass die Kommunikation mit Kermani nicht gelungen sei, sagte Koch.

Das Kuratorium ehrte in diesem Jahr vier Männer, die sich um den Dialog zwischen den Religionen in Deutschland verdient gemacht haben. Neben dem Muslim Kermani wurden der katholische Kardinal Karl Lehmann, der frühere evangelische Kirchenpräsident Peter Steinacker und der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Salomon Korn, mit dem Preis bedacht.

Koch, der dem Kuratorium des Hessischen Kulturpreises vorsitzt, rechtfertigte seine "persönliche Motivation" für die zwischenzeitliche Aberkennung der Auszeichnung für Kermani. Lehmann und Steinacker hätten sich an einem Zeitungsartikel Kermanis gestört, worin dieser die christliche Kreuzestheologie als "Gotteslästerung" bezeichnet und später seine positive Faszination für eine Kreuzesdarstellung durch den Maler Guido Reni ausgedrückt hatte. Lehmann und Steinacker hätten klargemacht, nicht mit Kermani den Preis entgegennehmen zu wollen. In Konsequenz auf eine Auszeichnung der beiden Kirchenmänner zu verzichten, "war aus meiner Sicht undenkbar", sagte Koch.

"Dieses Land ist in Jahrhunderten von der christlichen und jüdischen Religion geprägt worden", sagte Koch. Deren Verdienste seien unbedingt zu würdigen gewesen. "Ich weiß, dass diese Position kritisiert wurde und weiter kritisiert werden wird", sagte Koch. Umso erfreuter sei er, alle vier Preisträger gemeinsam ehren zu können.

Koch äußerte sich zum ersten Mal öffentlich zu den monatelangen Querelen um die Vergabe des diesjährigen, mit insgesamt 45 000 Euro dotierten Preises. Lehmann, Korn und Steinacker gingen in ihren Dankesreden auf den Konflikt nicht detailliert ein.

Applaus für Kermani
Kermani sagte in seinem Dankeswort, der Konflikt sei bei aller Schärfe im Ton friedlich gewesen und konstruktiv. Er bedankte sich für eine von vielen Seiten erfahrene Unterstützung. Auf ganz unerwartete Weise habe er sich in seinem Eindruck bestätigt gefühlt, dass Deutschland in den letzten Jahren weltoffener und kulturell vielfältiger geworden sei. Kermani kündigte an, mit seinem Preisgeld die «großartigen sozialen Projekte» der katholischen Kirchengemeinde Sankt Theodor in Köln-Vingst zu unterstützen. Von deren Pfarrer und seinen christlichen und nicht-christlichen Mitstreitern sei zu lernen, wie das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion auch unter sozial schwierigen Bedingungen gelingen könne.

Lehmann sprach in seinem Dankeswort von einer unübersehbaren Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs. Der Kardinal warnte, jeder interreligiöse Dialog müsse scheitern, wenn man in den anderen Religionen nur Mängel und Unvollkommenheiten feststelle. Deshalb sei jede Attitüde der Überheblichkeit zu vermeiden. Korn betonte, Toleranz beginne dort, wo Einverständnis ende. Steinacker sagte, Kultur und Gesellschaft seien, abgesehen von den Errungenschaften der Aufklärung, ohne die Impulse und Traditionen des Judentums, des Christentums und des Islam überhaupt nicht zu verstehen. Auf den Konflikt um Kermanis Zeitungsartikel über eine Kreuzigungsdarstellung eingehend, äußerte Steinacker, zentrale Partien dieses Beitrags hätten ihn verletzt. Er betonte zugleich, nach dem «klärenden, respekt- und verständnisvollen» Gespräch der vier Preisträger im Mainzer Bischofshaus seien diese Probleme «vollkommen ausgeräumt».

Der holprige Weg zur Preisverleihung
Ende August in Kardinal Karl Lehmanns Mainzer Bischofshaus: Vier Herren sind zu einem Gespräch unter acht Augen zusammengekommen, etwas mehr als zwei Stunden wird es dauern. Neben Lehmann dabei: der in Köln lebende muslimische Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, und der frühere Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker.

Anschließend teilen sie mit, alle Aspekte der Kontroverse seien in einer offenen und respektvollen Atmosphäre diskutiert worden. Und Lehmann, Korn und Steinacker fügen hinzu, sie seien "der Ansicht, dass Herr Dr. Navid Kermani mit dem Hessischen Kulturpreis mitausgezeichnet werden soll". In diesem Sinne entscheidet dann auch wenig später das Preiskuratorium unter Vorsitz des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) - "einstimmig", wie es heißt.

Dass es zur Preisverleihung kommen würde, schien lange Zeit zumindest nicht wahrscheinlich. Im Mai tat die Landesregierung kund, das Preiskuratorium habe Kermani die Auszeichnung aberkannt. Kurz darauf wurde die ursprünglich für den 5. Juli vorgesehene Preisverleihung auf einen nicht näher bestimmten Termin im Herbst verschoben. Lehmann und Steinacker nämlich hatten es abgelehnt, gemeinsam mit Kermani geehrt zu werden. Sie warfen ihm vor, in einem Zeitungsartikel das Kreuz als christliches Symbol fundamental und unversöhnlich angegriffen zu haben. Kermani hatte in besagtem Artikel über ein Altarbild von Guido Reni seine Ablehnung der Kreuzestheologie begründet und von "Gotteslästerung und Idolatrie" gesprochen, angesichts von Renis Kreuzigungsdarstellung aber auch formuliert: "Erstmals dachte ich: Ich - nicht nur: man -, ich könnte an ein Kreuz glauben."

Das Verhalten der hessischen Landesregierung offenbare ein "problematisches Verhältnis von Staat und Kirche", so Kermani unmittelbar nach dem Eklat. SPD, Grüne und Linke in Hessen machten ein integrationspolitisches Desaster aus und verlangten von Koch, sich bei dem Schriftsteller zu entschuldigen. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert bezog Position. Er sprach von einer "Staatsposse". Wenn Kermanis "kühner Artikel" über die Empfindungen eines Muslims bei der Betrachtung einer Darstellung der Kreuzigung Christi der Grund für die Entscheidung sei, dann solle der Staat "besser auf die Verleihung von Kulturpreisen verzichten", so Lammert.

Im Nachklang zu der bei dem Achtaugengespräch in seinem Bischofshaus eingeleiteten Wende in Sachen Kermani stellte Lehmann klar, es sei unwahr, dass er und Steinacker dafür gesorgt hätten, dass Kermani von der Preisträgerliste gestrichen worden sei. Er habe nie direkt darauf eingewirkt. Und weiter: Angesichts von Kermanis Zeitungsartikel über das Kreuz habe er in einem Schreiben an Koch erklärt, dass für ihn als katholischen Bischof die Annahme des Preises schwierig werden könnte, wenn Kermanis Aussagen keine Klarstellung fänden. "Ich musste es der entscheidenden Instanz der Preisverleihung überlassen, auf welchen Wegen eine solche Klärung möglich sein könnte", so Lehmann. Das sei aber nicht gelungen. Der Kardinal räumte ein, vermutlich hätten alle Seiten Fehler gemacht.

Die vertrauliche Unterredung in seinem Bischofshaus kam laut Lehmann ausschließlich auf seine Initiative und auf die von Steinacker zustande. Als das Preiskuratorium bald darauf Kermani wieder auf die Liste der Preisträger hob, teilte die Landesregierung mit, das Kuratorium sehe sich auch durch die Schwierigkeiten der letzten Monate darin bestärkt, mit der Verleihung des Kulturpreises für die Notwendigkeit eines verständnisvollen Umgangs der Religionen miteinander auf der Basis gemeinsamer kultureller Werte einzutreten. Das sei offenkundig noch nicht ohne Spannungen möglich.