Nach 30 Jahren geht die Ära von Kardinal Danneels zu Ende

Er wäre Johannes XXIV. geworden

Er wäre Johannes XXIV. geworden. Hätten die Kardinäle beim Konklave 2005 den Belgier Godfried Danneels zum Nachfolger von Johannes Paul II. gewählt, hätte der Erzbischof von Mechelen-Brüssel diesen Namen ausgesucht, erzählte er nach der Papstwahl in einer Nachrichtensendung für Kinder. Doch die Frage stellte sich nicht.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Die Kardinäle wählten Joseph Ratzinger, der sich für den Namen Benedikt XVI. entschied. Und der nahm jetzt den Rücktritt des Kardinals als Erzbischof von Mechelen-Brüssel an, gut 19 Monate, nachdem Danneels die für Bischöfe geltende Altersgrenze von 75 Jahren erreichte.

Tatsächlich wurden dem belgischen Kardinal vor dem Konklave gewisse Chancen zugesprochen, zum Nachfolger Johannes Paul II. gewählt zu werden. Dagegen sprach, dass Danneels in der Vergangenheit immer wieder Positionen vertrat, die vielleicht etwas zu wenig moderat, zu progressiv oder zu unzeitgemäß waren.

Kein Freund einer Rückkehr zu alten liturgischen Formen
Nach dem Konklave äußerte sich Danneels eher verhalten über den neuen Papst Benedikt XVI. "The proof of the pudding is in the eating", zitierte er auf Englisch ein Sprichwort, etwa: "Wie ein Pudding schmeckt, stellt man erst beim Probieren fest." Was Danneels seither geschmeckt hat, verrät er nicht. Dass er nicht unbedingt ein Freund einer Rückkehr etwa zu alten liturgischen Formen ist, offenbarte er jüngst in einem Buch. Auch beim Umgang mit den Traditionalisten plädiert er für Wachsamkeit. Doch in jüngeren Interviews ließ er ansonsten nur erkennen, wie er sein künftiges Leben sieht: mehr beten, mehr lesen, mehr spazieren gehen und mehr Sport.

Danneels, der im westflandrischen Kanegem geboren wurde, wurde schon in den 70er Jahren einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Damals lehrte er im Priesterseminar in Brügge und an der theologischen Fakultät von Löwen. So überraschte es kaum, dass ihn Papst Paul VI. 1977 zum Bischof von Antwerpen ernannte. Schon im Folgejahr kam die Berufung in die Römische Glaubenskongregation. Und wiederum ein Jahr später, zur Jahreswende 1979/1980, machte ihn Papst Johannes Paul II. zum Erzbischof von Mechelen-Brüssel. 1983 wurde er in den Kardinalsstand erhoben.

Mann des Ausgleichs
Entschieden in der Sache, aber moderat in der Form: Danneels ist ein Mann des Ausgleichs, der radikalen Positionen wenig abzugewinnen weiß. "Ich bin eher ein Mönch, ein Mystiker als ein Streetworker", sagt er. Marktforscher fanden heraus, Danneels werde als sozial, ausgeglichen, erneuernd, selbstsicher, verständig, gefühlvoll und Vertrauen erweckend beschrieben. Damit positioniere er sich als deutlich sympathischer als die katholische Kirche insgesamt. Und in den vergangenen Jahren habe er sogar noch an Beliebtheit gewinnen können.

Doch wäre es verkürzt, den Kardinal nur als den freundlichen Übervater Belgiens anzusehen. Mit Amtsbrüdern anderer europäischer Metropolen mühte er sich intensiv, eine zeitgemäße Form der Weitergabe des Glaubens im urbanen Umfeld auszuarbeiten. Ein Evangelisierungskongress und das Taize-Jugendtreffen waren dafür sichtbare Beispiele.

Autorität in beiden Sprachgemeinschaften
Nicht umsonst war Danneels, der neben Niederländisch und Französisch auch Deutsch, Englisch und Italienisch spricht, Erzbischof der einzigen zweisprachigen Diözese Belgiens. In seinem Erzbistum prallen wie nirgends sonst die Sprachenkonflikte des Landes aufeinander. Der Kardinal ist einer der wenigen, deren Autorität in beiden Sprachgemeinschaften unbestritten ist. Vielleicht trugen diese schlichtenden Erfahrungen dazu bei, dass er in den 90er Jahren an der Spitze der internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi stand.

Dass er jetzt in den Ruhestand und aus dem Rampenlicht tritt, scheint ihn, der so viel Präsenz zeigte, nicht zu stören. 1996 überstand er ohne Probleme eine Bypass-Operation. Die vorausgehende Herzattacke aber hat sein Leben dauerhaft verändert, gibt er jetzt zu. Früher habe er sich unersetzlich gefühlt. Das sei vorbei. Ersetzt worden ist Danneels jetzt. An der Spitze des Erzbistums Mechelen-Brüssel steht künftig der bisherige Bischof von Namur, Andre-Mutien Leonard. Sein Nachfolger wird Zeit brauchen, um die gleiche Statur zu gewinnen.