Kirchenexperte Lunkin zum russisch-orthodoxen Patriarchen

"Kyrill will die Einheit der Konservativen"

Vor einem Jahr wurde der neue Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche gewählt. Kyrill I. wurde Nachfolger des verstorbenen Alexij II. Der Direktor des Instituts für Religion und Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau, Roman Lunkin, spricht im Interview über Veränderungen durch den Amtswechsel und die Beziehungen zwischen russisch-orthodoxer und katholischer Kirche.

Autor/in:
Oliver Hinz
Kyrill I.: Seit 2009 der Moskauer Patriarch (epd)
Kyrill I.: Seit 2009 der Moskauer Patriarch / ( epd )

KNA: Herr Lunkin, wo liegen Unterschiede zwischen dem Amtsverständnis von Patriarch Kyrill I. und seinem Vorgänger Alexij II.?
Lunkin: Patriarch Alexij II. war sehr mild und konservativ. Er ließ den Bischöfen und Priestern viel Freiheit - es gab keine strenge Zentralisierung. Er unterstützte die verbreitete Idee einer patriotisch-kulturellen Orthodoxie in Russland. Patriarch Kyrill I. ist eine glänzend talentierte Persönlichkeit. Er ist ein Verfechter einer starken Kirche mit einer zentralistischen Struktur wie in der katholischen Kirche und enger Beziehungen zwischen Kirche und Staat.

Kyrill I. wünscht sich einen nicht-demokratischen, orthodoxen Staat, der die Kirche in finanziellen und sozialen Belangen beschützt. Formell ist das Moskauer Patriarchat unabhängig, aber in Wirklichkeit hängt die Kirche viel mehr vom Staat ab. Denn es ist unmöglich, die Initiativen von Kyrill I. ohne staatliche Hilfe von Kreml-Funktionären umzusetzen.

KNA: Haben sich unter Kyrill I. die Beziehungen zwischen der russisch-orthodoxen und der katholischen Kirche verbessert?
Lunkin: Die Verantwortlichen der Abteilung für Außenbeziehungen des Moskauer Patriarchats und Patriarch Kyrill I. selbst sagen, dass die Beziehungen zwischen beiden Kirchen immer intensiver werden. Kyrill I. und Außenamtsleiter Erzbischof Hilarion achten sehr auf gemeinsame Positionen zur Säkularisierung und den Folgen des Pluralismus und Liberalismus in Europa und den USA.

Aber diese Entwicklung der Beziehungen zum Vatikan ändert nicht die Haltung der russisch-orthodoxen Kirche gegenüber den russischen Katholiken. Diese werden vom Moskauer Patriarchat unter Druck gesetzt. Kyrill I. erlaubt nicht, dass in Russland orthodoxe Gläubige zum Katholizismus bekehrt werden. Das Patriarchat erkennt die Katholiken des byzantinischen Ritus nicht an.

KNA: Glauben Sie, dass sich Kyrill I. bald mit Papst Benedikt XVI.
treffen wird?
Lunkin: Kyrill I. möchte sehr gerne Papst Benedikt XVI. treffen. Das ist eines der Ziele seiner Kirchenstrategie. Das Moskauer Patriarchat hat eine triumphale Begegnung der zwei traditionell konservativen Kirchen der zwei Kulturen - der westeuropäischen und der russischen - im Sinn. Zu dem Treffen wird es kommen, wenn der Vatikan formell die Garantie gibt, dass in Russland keine orthodoxen Gläubige abgeworben werden und er halbwegs Fehler in der Westukraine eingesteht.

Kyrill I. wird dieses Jahr wieder die Ukraine besuchen und ich denke, er wird versuchen, jedes Jahr in die Ukraine zu kommen. Und vielleicht wird deshalb der Vatikan mit dem Moskauer Patriarchat einen gemeinsamen Standpunkt zur Ukraine erarbeiten.

Interview: Oliver Hinz