Die Missbrauchs-Debatte geht in Politik und Kirche weiter - Erzbischof Zollitsch lehnt Runden Tisch für Kirche ab

Umstrittene Verjährungsfristen und Papst-Visite

In Politik und Kirche geht die Debatte über die Aufarbeitung von sexuellen Missbrauchsfällen weiter. Die Bundesjustizministerin drängt weiter auf einen Runden Tisch. Zugleich mehren sich die Stimmen in Union und FDP, die auf längere Verjährungsfristen dringen. Erzbischof Zollitsch kündigte Konkretes zu seinem bevorstehenden Besuch beim Papst an; einen Runden Tisch begrüßt er - jedoch nicht nur für die Katholische Kirche.

 (DR)

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sieht im Umgang der deutschen Bischöfe mit dem Missbrauchsskandal ein Vorbild für die katholische Kirche weltweit. «Wenn die Linie, die wir als Deutsche Bischofskonferenz haben, zu einer Art Generallinie wird in unserer katholischen Kirche, dann wird sicher auf Zukunft hin vieles besser werden», sagte der Freiburger Erzbischof im SWR-Interview der Woche.

Im März werde er bei einem Besuch im Vatikan Papst Benedikt XVI. über die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in Deutschland informieren. Außerdem wollten die Bischöfe im Sommer Organisationen und Personen zusammenbringen, die sich mit der Frage des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen beschäftigen. Miteinander sollten gemeinsame Initiativen auf den Weg gebracht werden, erläuterte der Erzbischof.

Zollitsch begrüßte den Brief von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), in dem sie den Umgang der Kirche mit dem Missbrauchsskandal im Grundsatz lobt. Einen Runden Tisch zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Geistliche lehnt er allerdings ab. Dafür hatte Leutheusser-Schnarrenberger plädiert. «Sexueller Missbrauch von Kindern ist kein spezifisches Problem der katholischen Kirche. Es hat weder etwas mit dem Zölibat zu tun, noch mit Homosexualität, noch mit der katholischen Sexuallehre. Deshalb brauchen wir auch keinen Runden Tisch speziell für die katholische Kirche», sagte Zollitsch der Zeitung «Welt am Sonntag». Sollte die Ministerin einen Runden Tisch für alle gesellschaftlich relevanten Gruppen einrichten, werde die Kirche natürlich dabei sein. Zollitsch hält es für positiv, wenn über die Verlängerung der Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch debattiert wird. «Dabei sind die Anliegen der Opfer sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass die Taten oft lange zurückliegen», sagte Zollitsch der Zeitung.

Debatte um Strafrecht
Rechtliche Fragen werden bei dem geplanten Gespräch zwischen Leutheusser-Schnarrenberger und Zollitsch, eine Rolle spielen. Ein Termin steht laut Ministerin noch nicht fest. "Unsere Büros bemühen sich darum", so die Liberale. Zuvor hatte sie in einem Schreiben an Zollitsch ihre Position erläutert. Sie begrüße es, dass auch der Bischofskonferenz-Vorsitzende es als notwendig ansehe, "die staatlichen Behörden schnellstmöglich einzuschalten". Der Brief ging am Donnerstagmittag per Fax an die Bischofskonferenz.

Beide Koalitionsfraktionen plädierten dafür, sexuellen Missbrauch von Kindern künftig als Verbrechen und nicht länger nur als Vergehen zu ahnden. "Das Strafrecht muss bei diesen schrecklichen Taten endlich eine angemessene Antwort geben", forderte Unions-Fraktionsvize Günter Krings (CDU). Der FDP-Rechtsexperte Hartfrid Wolff erklärte, gerade die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche zeigten, dass Übergriffe zum Teil erst nach Jahrzehnten aufgedeckt würden. Es dürfe aber nicht sein, dass Täter wegen zu kurzer Verjährungsfristen davonkämen.

Positive Zwischenbilanz der Aufklärungsbemühungen
Unterdessen sagte der neue Missbrauchs-Beauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, dass durch die in den vergangenen Wochen hergestellte Öffentlichkeit viele Opfer Mut gefasst hätten, sich zu melden. «Wir wollen den Dingen offensiv nachgehen», bekräftigte er. In der Frage, wann die Strafverfolgungsbehörden im Falle eines Verdachts eingeschaltet werden sollten, sagte der Trierer Bischof eine Prüfung zu. Bislang gebe es keine Pflicht zur Anzeige im Falle eines Verdachts, weil eine solche Vorschrift die Schwelle für Opfer erhöhen würde, sich zu melden.

Nach den katholischen Bischöfen kündigten auch die Ordensgemeinschaften in Deutschland eine Überarbeitung der Richtlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch an. "Angesichts des Ausmaßes der Missbrauchsfälle" werde man prüfen, welche Änderungen in den Leitlinien notwendig seien, heißt es in einer Erklärung der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK).

Der Kriminologe Christian Pfeiffer zog in der "Märkischen Allgemeinen" (Freitag) eine positive Zwischenbilanz der Aufklärungsbemühungen. "Ich denke, die katholische Kirche wird in Zukunft diese Dinge sehr viel energischer und offensiver angehen", sagte Pfeiffer. Ähnlich äußerte sich die Missbrauchs-Beauftragte der Jesuiten, Ursula Raue, im ZDF-Morgenmagazin im Hinblick auf den von den Bischöfen verabschiedeten Vier-Punkte-Plan. Allerdings fehle ihr eine klare Anordnung, dass die Ansprechpartner für Opfer nicht der Kirchenhierarchie angehören dürften. "Wer eingebunden ist in

Salesianer und Kloster Ettal
Derweil zieht der Skandal weitere Kreise. Im bayrischen Kloster Ettal traten nach dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen der Abt sowie der Schulleiter des dortigen Gymnasiums zurück. Am Bonner Jesuitengymnasium, dem Aloisiuskolleg, erhöhte sich die Zahl der tatverdächtigen Geistlichen laut Angaben eines Sprechers von zwei auf vier. Dem Franz-Sales-Haus in Essen, einer der größten Einrichtungen für geistig behinderte Menschen in Nordrhein-Westfalen, droht laut Zeitungsberichten eine Klage ehemaliger Bewohner.

Die Salesianer Don Boscos legten einen ersten längeren Zwischenbericht zur Aufarbeitung von Übergriffen auf Kinder in ihren deutschen Einrichtungen vor. Das neunseitige Dokument, das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt, bezieht sich auf Vorkommnisse der 1950er bis 1970er Jahre. Sie dürften damit strafrechtlich verjährt sein. Die Anschuldigungen richten sich nach Angaben des Ordens gegen insgesamt 17 Personen.