Papst ermahnt Irlands Bischöfe und entschuldigt sich bei Opfern

Rechenschaft vor Gott und den Gerichten

Es ist ein Brief, den Vatikansprecher Federico Lombardi als beispiellos hinstellt. "Klare Worte gefunden", sagt im domradio.de-Interview Pater Bernd Hagenkord von Radio Vatikan, der den Brief vorab lesen konnte: Papst Benedikt XVI. wendet sich an die Katholiken Irlands und nimmt persönlich zu dem Missbrauchsskandal Stellung. In dem umfangreichen und sehr dicht formulierten Schreiben versucht der Papst eine Analyse der Lage und wendet sich an die Betroffenen. Ein Schlusswort ist es noch lange nicht.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Papst Benedikt XVI.: Schreiben über neue Wege zum Frieden (KNA)
Papst Benedikt XVI.: Schreiben über neue Wege zum Frieden / ( KNA )

«Im Namen der Kirche bekunde ich offen die Scham und Reue, die wir alle empfinden», schreibt Benedikt XVI. den Opfern. «Schockiert und verletzt» sei er über die Vorgänge in Irland, über die «sündigen und kriminellen Handlungen». Manche Bischöfe hätten sich «schwere Fehlurteile und Versagen in der Leitung» zuschulden kommen lassen.

Der Papst wendet sich an Priester, die sich zu Unrecht als potenzielle Kinderschänder verdächtigt sehen und die teils selbst unter unfähigen, vertuschenden Vorgesetzten gelitten haben; er wirbt um die Jugendlichen, die enttäuscht und angewidert die Kirche verlassen. Er versucht, eine am Boden liegende Kirche wieder aufzurichten.

Benedikt XVI. nimmt sich auch diejenigen vor, die Kinder sexuell ausgenutzt, geschlagen und gedemütigt haben. Bei einer früheren Gelegenheit bemühte er das biblische Bild von den Übeltätern, für die es besser wäre, sie würden mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen. Jetzt spricht er von der Rechenschaft «vor dem allmächtigen Gott und den zuständigen Gerichten». Und davon, dass auch die Schuldigen nicht an Gottes Barmherzigkeit verzweifeln sollen.


«Reue, Heilung und Erneuerung»
Der Abschnitt an die Täter zeigt am deutlichsten den Weg, durch den sich Benedikt XVI. «Reue, Heilung und Erneuerung» für die irische Kirche erhofft: Unmissverständlich verlangt das Kirchenoberhaupt juristische Aufarbeitung innerhalb der Kirche und vor der staatlichen Justiz. Er kündigt Apostolische Visitationen an; Ermittlungskommissionen, die der Vatikan dann losschickt, wenn eine Ortskirche schwer aus dem Ruder läuft. Der Papst macht in seinem Brief aber auch klar, dass die Kirche bei der Aufklärung des Skandals noch anderen Ansprüchen verpflichtet ist als ein weltliches Unternehmen.

Dieser Aspekt betrifft die geistliche Erneuerung: «Demütig» bittet das Kirchenoberhaupt die Opfer, an die Kraft der Vergebung zu glauben. Auch den Tätern spricht er Hoffnung auf Versöhnung zu. Der ganzen Mitarbeiterschaft verordnet er geistliche Exerzitien, und für alle Katholiken Irlands ruft er ein Jahr der Buße aus. Der Pfuhl des Missbrauchs ist für Benedikt XVI. ein strafrechtliches, aber auch ein religiöses Problem.

Das zeigt sich ebenso in seiner Analyse der Ursachen. Eine Wurzel des Übels sieht der Papst in der Säkularisierung, die auch vor dem Heimatland unzähliger Missionare nicht Halt machte und die Sitten verflachen ließ. Doch auch innerhalb der Kirche führte eine falsch verstandene Toleranz nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) in die Irre, heißt es in dem Schreiben. Das Konzil stellt er nicht in Frage; wohl aber manches, was es auslöste - zum Beispiel die «gut gemeinte, aber verfehlte Tendenz», mit dem kirchlichen Strafrecht zu milde umzugehen.

Ob Brief an deutsche Kirche kommt, ist offen
Es ist ausdrücklich ein Brief an die irische Kirche; dass sich der Vatikan des Interesses anderer Länder an diesem Thema bewusst ist, zeigt, dass praktisch über Nacht holprige «Arbeitsübersetzungen» in Deutsch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch erstellt wurden. Ein Schreiben an die universale Kirche würde den jeweiligen Sachlagen nicht gerecht, argumentiert Vatikansprecher Federico Lombardi. Ob Benedikt XVI. sich ähnlich auch zu Deutschland äußern will, ließ der Jesuit offen. Man könne schlecht erwarten, dass der Papst jeden Tag zu allem etwas sage, antwortete Lombardi auf eine Frage. «Der Papst wird eine geeignete Weise finden, wenn und wann er es für angezeigt hält, auch auf die deutsche Situation Bezug zu nehmen."

Am Karfreitag wird Benedikt XVI. am römischen Kolosseum den traditionellen Kreuzweg beten. Mit den Meditationstexten beauftragte er seinen altgedienten Kardinal Camillo Ruini, ein scharfer, konservativer Geist und gewandter Theologe. Zufällig ist es der fünfte Todestag von Johannes Paul II., und damals, 2005, lag es an Kardinal Ratzinger, die Betrachtungen zum Leiden und Sterben Jesu zu schreiben: «Das verschmutzte Gewand und Gesicht deiner Kirche erschüttert uns. Aber wir selber sind es doch, die sie verschmutzen», formulierte er damals. In knapp zwei Wochen werden Gläubige in aller Welt erneut wissen wollen, was Benedikt XVI. zu Leid und Schuld in den eigenen Reihen zu sagen hat.