Klemens Ochel vom Missionsärztlichen Institut zur Aidskonferenz

"Es ist ein Skandal, beim Kampf gegen Aids zu sparen"

Sechs Tage lang haben auf 18. Internationale Aidskonferenz in Wien Wissenschaftler, Betroffene, Aktivisten und Politiker über Ursachen und mögliche Therapien der Krankheit beraten. Zum Abschluss des Treffens warnt der Mediziner Klemens Ochel vom Missionsärztlichen Institut davor, die finanzielle Unterstützung im Kampf gegen Aids zurückzufahren.

 (DR)

KNA: Herr Ochel, lange Konferenztage liegen hinter Ihnen. Was hat das Treffen an Ergebnissen gebracht?
Ochel: Es herrschte eine ungeheure Spannung auf der Konferenz.
Einerseits wurden die Erfolge im Kampf gegen HIV und Aids sichtbar. So zahlen sich die Anstrengungen in Richtung universeller Behandlung offenbar aus. Immer mehr Menschen haben Zugang zu Medikamenten und Behandlung; derzeit mehr als fünf Millionen. Das wäre vor zehn Jahren noch nicht denkbar gewesen.

KNA: Andererseits?
Ochel: Andererseits bedrohen die Folgen der Finanzkrise den Kampf gegen Aids, weil die finanziellen Hilfen zurückgefahren werden. So könnte es etwa sein, dass Deutschland seine Unterstützung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria um zwei Drittel kürzt. Das hat das Entwicklungsministerium zumindest durchblicken lassen.

KNA: Welche Folgen hätte ein Zurückfahren der Hilfen, nicht nur aus Deutschland?

Ochel: Die Hilfswerke wie unsere kirchlichen Partner müssten mit weniger Mitteln zurechtkommen und könnten dann wohl weniger Menschen behandeln. Neue Patienten könnten sicher nicht aufgenommen werden und andere müssten von den Behandlungslisten gestrichen werden. Das wäre auch ein ethisches Problem. Wer entscheidet dann darüber, wer weiter behandelt wird und wer nicht?

KNA: Könnte man die Arbeit nicht auch effizienter gestalten?

Ochel: Sicher gibt es an einigen Stellen Einsparpotential.
Allerdings ist das begrenzt und man darf auf keinen Fall am falschen Ende sparen; also nicht dort, wo die Patienten behandelt werden. Luft gibt es höchstens noch bei den Overhead-Kosten, also bei der Verwaltung und Organisation in den höheren Ebenen. Die Frage der Effizienz darf nicht als Entschuldigung für Einsparungen missbraucht werden. Es ist ein Skandal, beim Kampf gegen Aids zu sparen. Eigentlich müsste noch deutlich mehr investiert werden, um die erzielten Erfolge nichts aufs Spiel zu setzen, sondern sie weiter zu verfolgen.

KNA: Wo liegen denn nach wie vor die großen Herausforderungen?

Ochel: Natürlich erhalten heute mehr Menschen als vor zehn Jahren eine Behandlung; wie gesagt mehr als fünf Millionen. Es wären aber rund zehn Millionen Personen auf eine solche Behandlung angewiesen. Außerdem gibt es nach wie vor zu wenige Medikamente für Kinder oder sie sind zu teuer. Zudem muss natürlich die wissenschaftliche Forschung zur Verhinderung von Neuinfektionen und zur Heilung von Infizierten weitergehen.

KNA: In dieser Frage wurden in Wien Erfolge präsentiert.
Ochel: Ja, das sogenannte Mikrobizid-Gel, das auf den Geschlechtsorganen angewendet wird und eine Übertragung verhindert. Da sind die ersten Versuche in kleinen Gruppen so erfolgreich gelaufen, dass das jetzt in einem größerem Feldversuch weiterverfolgt werden kann. Das ist ein Hoffnungszeichen.

KNA: Und in der Frage der Neuansteckung, gibt es da Fortschritte?
Ochel: Auch in diesem Punkt ist eine umfassende Behandlung wichtig. Sie hat ja auch einen vorbeugenden Aspekt, weil die Weitergabe des Virus deutlich eingeschränkt wird bei Menschen, die erfolgreich behandelt werden. Deshalb ist die weitere auch finanzielle Unterstützung etwa des Globalen Fonds so wichtig - da sind nicht nur Staaten gefragt, sondern auch die Privatwirtschaft, etwa die Pharmaindustrie.

KNA: Im Oktober steht die nächste Geberkonferenz an.
Ochel: Ich hoffe, dass sich dabei die Befürchtungen und Anzeichen Richtung Kürzung nicht bewahrheiten. Zudem dürfen auf keinen Fall verschiedene Aspekte der im Jahr 2000 vereinbarten Ziele zur Armutsbekämpfung gegeneinander ausgespielt werden. Nach dem Motto: Es fehlt Geld für die gesundheitliche Versorgung von Müttern und Kindern, also kürzen wir mal bei den Ausgaben im Kampf gegen Aids.