Der Winter macht Obdachlosen zu schaffen

Draußen zu Hause

Rutschende Reifen, gestrichene Flüge, ausgefallene Züge: Der Winter hat Deutschland weiter voll im Griff. Mit der seit Wochen andauernden Kälte zu kämpfen haben auch eine geschätzte viertel Million Menschen. Sie sind ohne festen Wohnsitz – und manche wollen es auch weiterhin sein. Eine besondere Herausforderung für Kommunen und Helfer der Kirchen.

Autor/in:
Inga Kilian
 (DR)

Björn steht mitten im Schneetreiben. Vor der Tür der Notschlafstelle des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM) in Köln wartet er darauf, ins Warme gelassen zu werden. "So ein Schneematsch", sagt er. "Ich muss erst mal auftauen". Björn ist obdachlos. Den Tag hat er im Kölner Hauptbahnhof verbracht. "Da ist es wenigstens warm", sagt er. Der Winter bedeutet für den 38-Jährigen Lebensgefahr. Wenn die Temperatur unter den Gefrierpunkt sinkt, wird es unter Brücken, auf Parkbänken und in Hauseingängen trotz Schlafsack und Decken ungemütlich. Allein im letzten Winter erfroren nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) 17 Obdachlose unter anderem in Großstädten wie Berlin und München.



"Man holt sich was weg, wenn man bei dem Wetter draußen schläft", sagt Björn. "Lungenentzündung und so". Das Risiko ist bei ihm besonders hoch. Björn hat Aids. "Im Vollstadium", sagt er. Sein Immunsystem ist daher extrem geschwächt. Er weiß, dass er sich für die kalten Nächte einen Schlafplatz besorgen muss. Seit gut einem Monat findet er sich deshalb abends in der Notschlafstelle des SKM ein. Wie ihm geht es nach Schätzungen der BAG W rund 250.000 Menschen, die in Deutschland ohne festen Wohnsitz leben. Allein in Köln sind rund 1.800 Menschen obdachlos.



In Notfällen wird ein Arzt eingeschaltet

Harte Winter sind hier, im Westen Deutschlands, eigentlich die Ausnahme. Schnee und langanhaltende Kälte stellen deshalb eine besondere Herausforderung für die Kommunen und die Träger der Wohnungslosenhilfe da. In Köln ist man sich der Gefahr für die Obdachlosen bewusst. Zwar gibt es hier rund 700 feste Wohnplätze und rund 300 Notschlafstellen. Laut Norbert Krütt-Hüning von der Einrichtung "Reso-Dienste" des Kölner Sozialamtes begeben sich viele Obdachlose jedoch nicht von sich aus dorthin. Das Sozialamt organisiert deshalb sogenannte Kältegänge, sobald das Thermometer Minusgrade anzeigt. Zu zweit steuern ehrenamtliche Mitarbeiter Plätze an, an denen sich Obdachlose aufhalten und machen auf Hilfsangebote aufmerksam. "Keiner soll Gefahr laufen, zu erfrieren", sagt Krütt-Hüning. In Notfällen werde ein Arzt eingeschaltet. Zudem hat die Stadt Köln erstmalig eine Telefonnummer eingerichtet, unter der Bürger gefährdete Menschen melden können.



Zwar nehmen viele Obdachlose vor allem im Winter Hilfsangebote an, für einige kommt das jedoch nicht in Frage. "Es werden nicht alle Menschen erreicht", sagt Stefan Kunz, Fachreferent für Wohnungslosenhilfe bei der Caritas in Freiburg. Problematisch sei beispielsweise, wenn in Einrichtungen die Mitnahme von Tieren nicht erlaubt seien. Für Obdachlose mit einem Hund sei dies ein Grund, lieber in der Kälte zu schlafen. Zudem hätten manche Betroffene Angst vor Gewalt und Diebstahl oder fühlten sich in den Quartieren unwohl.



"Ein eigenes Zimmer wär" schön"

Als Schlafstätten beliebt sind hingegen U-Bahnstationen oder Bahnhöfe. Darauf reagiert auch die Deutsche Bahn. "Wenn eisige Temperaturen herrschen, wird kein Obdachloser, der sich in Bahnhofsgebäuden aufhält, vor die Tür gesetzt", betont eine Sprecherin. Gut angekommen ist im Vorjahr auch ein beheiztes Zelt, das das Deutsche Rote Kreuz am Düsseldorfer Rheinufer für Obdachlose aufgebaut hatte. "Die Hütte war immer voll", sagt Sprecherin Sabine Jokl. Weil die Obdachlosen auch ihre Tiere mitbringen durften, sei die Hemmschwelle, sich in dem Zelt aufzuwärmen, gering gewesen. In diesem Jahr steht das Zelt jedoch noch nicht.



Zelte, Züge oder Hauseingänge - Björn hat schon an den unterschiedlichsten Orten übernachtet. Seine momentane Situation soll für ihn eigentlich nur eine Übergangslösung sein. Er will weg von der Straße. "Ein eigenes Zimmer wär" schön", sagt er. Das ist bislang jedoch nicht mehr als ein ferner Wunsch. Solange er noch ohne eigenes Bett auskommen muss, ist er froh, während der Wintermonate in Notschlafstellen unterkommen zu können. "Wenn es solche Einrichtungen nicht geben würde, wär" ich schon längst nicht mehr so gesund", sagt er.