Runder Tisch Heimerziehung übergibt Abschlussbericht an Bundestag

Nichts ist entschieden

Nun liegt der Ball wieder beim Parlament - und mit ihm alle Hoffnungen ehemaliger Heimkinder, die auf Entschädigung für ihr erlittenes Unrecht warten. Der Runde Tisch Heimerziehung überreicht nach zweijähriger Arbeit Bundestagspräsident Norbert Lammert seinen Abschlussbericht mit Empfehlungen.

Autor/in:
Karin Wollschläger
 (DR)

Auftrag erfolgreich abgeschlossen. Das gilt zumindest für das Gremium, das damit faktisch aufgelöst ist. Was tatsächliche Entschädigungsleistungen für die Heimkinder - das Ob und Wie - betrifft, beginnt die Arbeit allerdings jetzt erst wirklich.



Ende November 2008 hatte der Bundestags-Petitionsausschuss mit einem einstimmigen Votum die Bundesregierung zu einem politischen Novum aufgefordert: die Einrichtung eines sogenannten Runden Tisches. Das außerparlamentarische Gremium sollte die Umstände der Heimerziehung in Westdeutschland von 1949 bis 1970 aufarbeiten und Unrecht klären.



Keine gesetzliche Handhabe

"Wir haben uns im Petitionsausschuss zwei Jahre intensiv mit dem Thema befasst und kamen zu dem Ergebnis: Das ist eine wichtige politische Aufgabe, aber wir haben keine gesetzliche Handhabe, da die Entschädigungsansprüche der Heimkinder in der Regel verjährt waren", berichtet Marlene Rupprecht (SPD), die damals federführend die Petition ausarbeitete. Ein Runder Tisch, so die Idee, könnte das dunkle Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte angemessen aufarbeiten und doch noch Möglichkeiten für Entschädigungen ausloten.



Im Februar 2009 nahm der Runde Tisch mit 22 Vertretern von Bund, Ländern, Kirchen, Jugendhilfe sowie Betroffenen seine Arbeit auf. Im vergangenen Dezember schließlich legte er seinen 100-seitigen Abschlussbericht vor. Darin plädiert das Gremium für die Einrichtung eines Fonds von 120 Millionen Euro. Daraus sollen ehemalige Heimkinder Rentenausgleichszahlungen sowie Hilfen zur Traumabewältigung erhalten können, falls sie Folgeschäden "einigermaßen glaubhaft" belegen.



"Eine schwierige Kiste"

Doch bis sich diese Empfehlungen in bare Münze für die Opfer verwandeln, ist noch einiges zu tun. Notwendig ist ein Staatsvertrag zwischen dem Bund, den westdeutschen Ländern und den Trägern ehemaliger Heime, der die Finanzierung regelt. "Das wird noch eine schwierige Kiste, vor allem die Länder alle unter einen Hut zu bringen", prognostiziert Rupprecht. Sie will nun vorschlagen, in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe einen gemeinsamen Antrag zu erarbeiten, der die Bundesregierung auffordert, eben solch einen Staatsvertrag auszuhandeln. Die familienpolitische Sprecherin der Union, Dorothee Bär (CSU), ist da optimistischer: "Die Empfehlungen sind auf jeden Fall umsetzbar und ich denke, dass das auch recht schnell geht." Sie habe bereits aus einigen Bundesländern positive Rückmeldungen bekommen.



Unterdessen erlebte die Leiterin der vom Runden Tisch eingerichteten Info- und Beratungsstelle, Katharina Loerbroks, seit der Vorstellung des Abschlussberichts im Dezember einen sprunghaften Anstieg der Anfragen von ehemaligen Heimkindern. Bescheidene 650 Anfragen hatte es in den zwei Jahren zuvor gegeben. Nun kamen binnen Wochen rund 500 neue hinzu. "Viele Anrufer sagten mir auch, dass sie jetzt durch die Medien überhaupt zum ersten Mal vom Runden Tisch gehört hätten", berichtet Loerbroks.



Viele Enttäuschungen

Und dann musste sie viele Anrufer auch noch enttäuschen: "Die meisten dachten, jetzt sei alles entschieden und sie könnten bei mir Formulare für Entschädigungen beantragen." Viele reagierten

frustriert: "Kennt man ja. Typisch, wir werden weiter vertröstet." Rupprecht kann solche Reaktionen gut nachvollziehen: "Es ist den Betroffenen schwer zu erklären, warum sich das alles so zieht, warum es so schwierig ist, mit all den unterschiedlichen Playern eine gemeinsame Lösung zu finden."



Nach der Übergabe des Abschlussberichts an Bundestagspräsident Lammert steht noch ein zweistündiges Gespräch zwischen den Mitgliedern des Runden Tisches und Parlamentariern aller Fraktionen an. Die zügige Umsetzung der Empfehlungen ist dabei sicher auch Thema.