Kritik an PID-Stellungnahme der Akademien

Embryos als Objekte

Die Stellungnahme der deutschen Wissenschaftsakademien für eine begrenzte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) stößt auf heftige Kritik. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, nennt sie unausgewogen. Die Wissenschaftler hätten Embryos nur als Objekt betrachtet, über das Eltern und Ärzte verfügen könnten, erklärte Glück am Mittwoch in Bonn.

 (DR)

"Dies widerspricht unserer Überzeugung von der Würde und Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens von der Zeugung an", so Glück. Als weiteren gravierenden Mangel bezeichnete es der CSU-Politiker, dass die Wissenschaftler ein "Grundrecht eines jeden Menschen auf Fortpflanzung" voraussetzten und dass sie dem Staat die Aufgabe zusprächen, dieses Recht durchzusetzen. Glück hielt den Wissenschaftlern zudem vor, die PID mit der Pränataldiagnostik (PND) gleichzustellen. Bei einer PID gehe es aber um die Selektion von Embryonen vor einer Schwangerschaft, bei einer PND um eine Untersuchung während einer Schwangerschaft, so der ZdK-Präsident. Auch wenn daraus ein Schwangerschaftskonflikt entstehen könne, sei dieser prinzipiell ergebnisoffen, so dass eine Spätabtreibung keinesfalls vorprogrammiert sein dürfe. Das ZdK lehnt wie auch die Deutsche BIschofskonferenz die Gentests an Embryonen generell ab.



Der Göttinger Professor für Öffentliches Recht, Christian Starck, warf den Gremien in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" gravierende Argumentationsfehler vor. Grundsätzlich bestehe für menschliches Leben "nach den Rechtsordnungen aller kultivierten Völker eine Schutzpflicht des Staates, soweit Schutz möglich ist". Der Embryo sei keine Sache, sondern habe "Personeneigenschaft". Es gebe kein Recht auf ein gesundes Kind, vielmehr gelte die Vorgabe des Grundgesetzes, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. "Eltern haben nicht das Recht, Embryonen unter dem Vorbehalt einer genetischen Prüfung zu erzeugen, gegebenenfalls zu verwerfen und über den Lebenswert menschlichen Lebens zu entscheiden", so Starck.



Mit Verweis auf den sogenannten Abtreibungsparagrafen 218, der unter anderem eine Gesundheitsgefährdung der Frau als Grund für eine straffreie Abtreibung anführt, versuche die Stellungnahme der Akademien "suggestiv" das Recht auf eine "Schwangerschaft auf Probe" abzuleiten. Dabei sei die um die "seelische Gesundheit" erweiterte Indikation in vielen Fällen verfassungsrechtlich sehr problematisch zu bewerten. Auch die in der Stellungnahme besonders gewichtete "Gewissenentscheidung der Frau" ist aus Sicht des Juristen kein Argument für eine PID-Zulassung. Denn nach Paragraf 218 dürfe die Tötung von Ungeborenen nicht mit der grundrechtlich geschützten Gewissensfreiheit begründet werden.



Auch Starck befürchtet einen ethischen Dammbruch: "Wenn PID zur Selektion von schwersten Behinderungen zugelassen wird, wo ist dann die Grenze zu schweren und weniger schweren Behinderungen", so der Göttinger Jurist. Wenn mehrere befruchtete Eizellen vorlägen, "warum dann nicht diejenige einpflanzen, die nach in Zukunft möglicher Diagnostik den besten Menschen verspricht?" Der gesellschaftlich immer einflussreichere Utilitarismus werde immer Gründe finden, über das einzelne menschliche Leben hinwegzugehen, wenn dies "dem größtmöglichen Glück" nütze.



Wissenschafts-Akademien für begrenzte Zulassung

Drei Wissenschafts-Akademien aus Deutschland hatten sich am Dienstag für eine begrenzte Zulassung von Gentest an Embryonen ausgesprochen. Es gebe keine Notwendigkeit, die Gewissensentscheidung einer Frau durch ein Gesetz zu verbieten, heißt es in der am Dienstag in Berlin vorgestellten Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Mit Hilfe der Präimplantationsdiagnostik (PID) ließen sich Abtreibungen von schwer geschädigten Embryonen vermeiden, heißt es in der Stellungnahme, die von 13 Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen erarbeitet wurde. Es gehe dabei um genetische Abweichungen, die zu Tot- oder Fehlgeburten sowie zu schwerwiegenden Behinderungen führten, erläuterte der Leiter der Arbeitsgruppe, Hans-Peter Zenner. Solche Gendefekte seien gut zu diagnostizieren. Zum Teil sei ein Elternteil selbst von der Krankheit betroffen. Manchmal hätten die Frauen bereits Fehl- und Totgeburten hinter sich. In einigen Fällen gebe es ein krankes Kind in der Familie.



Die Wissenschaftler halten die PID nur dann für sinnvoll, wenn es einen begründeten Verdacht auf eine bestimmte Erbkrankheit gibt. Zur möglichen Heilung eines kranken Geschwisterkindes oder für die Stammzellforschung soll PID nicht erlaubt werden. Ein Verbot der PID steht für die Forscher in einem Wertungswiderspruch zu anderen Gesetzen, die etwa die Spirale oder die Pille danach sowie die Untersuchung des Embryos während der Schwangerschaft (Pränataldiagnostik) erlauben. Auch ein Medizintourismus ins Ausland, wo PID erlaubt ist, müsse vermieden werden.



In ihrer Stellungnahme schlägt die Arbeitsgruppe vor, eine zentrale Sachverständigenstelle einzurichten, die über jeden Einzelfall entscheidet. Damit könne bei der Bewertung von Krankheiten ein einheitliches Maß geschaffen werden, sagte Zenner. Die Stelle solle von einem Laien geleitet und nicht nur mit Experten besetzt sein.



Drei Anträge im Bundestag

Bei der Präimplantationsdiagnostik werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor dem Einpflanzen in den Mutterleib auf Erbkrankheiten gentechnisch untersucht. Mit dem Verfahren, das eine Selektion der Embryonen ermöglicht und so die Weitergabe genetischer Erbkrankheiten verhindern soll, können aber auch das Geschlecht und weitere Merkmale untersucht werden. Derzeit wird über eine gesetzliche Neuregelung debattiert, weil der Bundesgerichtshof im Juli 2010 das bisherige Verbot gekippt hatte.



Im Bundestag wird es voraussichtlich drei Anträge zur PID geben. Eine Gruppe von Abgeordneten um Günter Krings (CDU) und Johannes Singhammer (CSU) fordert ein komplettes Verbot der PID. Eine zweite Gruppe um Ulrike Flach (FDP) und Carola Reimann (SPD) spricht sich für eine begrenzte Zulassung aus. Dieser Antrag entspricht inhaltlich am ehesten der Stellungnahme der Akademien. Die Abgeordneten Priska Hinz (Grüne) und René Röspel (SPD) wollen die Grenzen für die Zulassung von PID noch enger setzen als Flach/Reimann. Bislang hat nur die Gruppe Flach/Reimann einen Antragstext vorgelegt.