Das Entwicklungsministerium wird 50 Jahre alt und zieht Bilanz

Abschied vom Hilfe-Image

Ins Leben gerufen wurde es als "Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit". Erst 1993 erhielt es den Namenszusatz "und Entwicklung". Eine Debatte über die Aufgaben des "Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" gibt es schon seit der Gründung vor 50 Jahren.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Zum 50. Geburtstag wird in diesem Jahr Bilanz gezogen: "Entwicklungshilfe, wie die Entwicklungszusammenarbeit noch immer genannt wird, wird für viele Länder immer unattraktiver", sagt etwa Dirk Messner, Direktor des in Bonn ansässigen Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE). Die Entwicklungszusammenarbeit müsse sich von ihrem "Hilfe-Image" befreien und gemeinsame Interessen ins Zentrum rücken.



Kein Zweifel, die Beziehungen zwischen Industriestaaten und der Dritten Welt haben sich verändert. Bis 1989 war Entwicklungshilfe auch ein Instrument, um arme Länder an den Westen zu binden. Doch inzwischen verändern Indien, China, Brasilien und Co die globalen Machtverhältnisse. Das alte Nord-Süd-Gefälle stimmt nicht mehr. Menschheitsfragen wie Klimawandel, Ernährungssicherheit, Energie und Terrorismus können nur gemeinsam beantwortet werden.



Stärkeres Engagement von Zivilgesellschaft und Wirtschaft

Für Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) steht fest: Die deutsche Entwicklungspolitik soll vor allem die Armut bekämpfen und die Einhaltung der Menschenrechte zum Maßstab machen. Zugleich sind sich Experten einig, dass sich Entwicklungspolitik stärker mit anderen Politikbereichen koordinieren muss, um wirksam zu sein. Es geht um ein Ineinandergreifen von Außen-, Umwelt-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik sowie eine bessere Arbeitsteilung der Geber. Auf internationaler Ebene, aber auch innerhalb der deutschen Politik.



Deutschland will sich auf Bildung, Gesundheit, ländliche Entwicklung, gute Regierungsführung und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung konzentrieren. Niebel setzt dabei auf ein stärkeres Engagement von Zivilgesellschaft und Wirtschaft - was manche befürchten lässt, dass es ihm in erster Linie um die Interessen der deutschen Wirtschaft geht.



Der Streit um die 0,7 Prozent

In die Öffentlichkeit dringt vor allem der Streit um die 0,7 Prozent: Kirchen und Nichtregierungsorganisationen drängen darauf, dass Deutschland 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit ausgibt. Und fordern zusätzliche Finanzinstrumente wie die Flugticketabgabe, eine Devisentransaktionssteuer oder Erlöse aus CO2-Zertifikaten.



Kritiker der staatlichen Entwicklungshilfe wie Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck und der langjährige deutsche Botschafter in afrikanischen Ländern, Volker Seitz, bezweifeln aber, dass mehr Geld auch mehr Erfolg bringt. Vor einer sich selbst erhaltenden "Entwicklungsindustrie" warnt der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses der OECD, Eckhard Deutscher. Allein in Nicaragua seien über 40 internationale staatliche Entwicklungsagenturen und 150 nichtstaatliche Organisationen tätig. Eine solche Fülle überfordere die Entwicklungsländer und lähme Eigeninitiative.



Deutschland hat deshalb die Liste der Partnerländer stark verringert: von 119 im Jahr 1998 auf 58 im Jahr 2009. Straffung und Konzentration auch im BMZ: Niebel hat die staatlichen Entwicklungsorganisationen unter dem Dach der "Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit" (GIZ) zusammengeschlossen. Mit einem neu gegründeten Planungsstab will er die Steuerungsfähigkeit des Ministeriums verbessern.



An Bedeutung gewonnen

Fest steht, dass Entwicklungspolitik an Bedeutung gewonnen hat. Sie wird zunehmend als Globale Strukturpolitik begriffen, die auch Klimafragen, Umwelt- und Weltwirtschaftspolitik umfasst. Damit steht das BMZ aber zunehmend in Konkurrenz zu anderen Bundesministerien, die ihrerseits entwicklungspolitische Handlungsfelder besetzen. Und dafür zunehmend Haushaltsmittel erhalten.



So ist das Auswärtige Amt nach dem BMZ das Ressort mit den höchsten Entwicklungsausgaben. Auch Umwelt-, Forschungs- und Verteidigungsministerium finanzieren Entwicklungsprojekte - etwa, wenn die Bundeswehr in Afghanistan Schulen, Brücken oder Wege baut. Was wiederum Debatten über eine zu starke Vermischung von militärischen und zivilen Aufgaben nach sich zieht. Die Debatte um die Aufgaben geht also weiter - auch 50 Jahre nach der Gründung des Entwicklungsministeriums am 14. November 1961.