Äthiopiens Opposition ruft nach Hilfe

Polizeistaat und Welt-Liebling

Neid und Wut sind die bestimmenden Gefühle äthiopischer Oppositionelle, wenn sie dieser Tage nach Nordafrika blicken: Die Demokratiebewegungen dort unterstützt die Weltt. Doch auch Äthiopien wird zunehmend autokratisch regiert, kritische Stimmen werden teils brutal unterdrückt. Dennoch gilt das Land nach wie vor als Liebling der internationalen Entwicklungshilfe-Geber.

Autor/in:
Ann Kathrin Sost
 (DR)

Für Kritiker des nordostafrikanischen Regimes ist das schwer verständlich: "Äthiopien ist ein autoritärer Polizeistaat", sagt der Politikprofessor Merera Gudina, Mitglied der Oppositionspartei "Oromo People"s Congress". 200 Mitglieder seiner Partei wurden Anfang April willkürlich verhaftet. Bei den Wahlen 2005 waren Hunderte Oppositionelle getötet worden.



Der Oppositionelle Berhanu Nega wurde 2005 zum Bürgermeister der Hauptstadt Addis Abeba gewählt und dann mit der gesamten Opposition ins Gefängnis gesteckt. Sein Amt trat er nie an. 2007 kam er frei und ging ins US-Exil. "Es ist geradezu obszön, dass Deutschland und andere Geber die Hilfe seit 2005 noch erhöht haben", kritisiert Berhanu. Rund 3,3 Milliarden US-Dollar erhielt Äthiopien allein 2008.



Deutschland zählt zu den größten Gebern und hat für die Jahre 2009 bis 2011 insgesamt 96 Millionen Euro zugesagt. "Premierminister Meles Zenawi glaubt jetzt, dass er die Zügel zum Umgang mit dem Westen in der Hand hat", sagt Berhanu. Auf Bürgerrechte müsse er keine Rücksicht mehr nehmen.



Auch Hilfsorganisationen klagen

Auch für internationale Organisationen wird die Arbeit in Äthiopien immer schwieriger - etwa für die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung. Demokratieförderung, Menschenrechtsbildung, Seminare für mehr Gleichberechtigung - was für die Stiftung wichtige Aufgaben sind, ist Äthiopiens Regierung ein Dorn im Auge.



Anfang 2010 trat ein Gesetz zur Regelung der Arbeit von nichtstaatlichen Organisationen in Kraft. Einheimische Organisationen dürfen demnach nur noch höchstens zehn Prozent Geld aus dem Ausland erhalten. Wird dieser Anteil überschritten, werden sie als "ausländische Organisationen" eingestuft, die in den Bereichen Menschen- und Bürgerrechte, der Gleichstellung von Minderheiten und Genderfragen nicht weiter aktiv sein dürfen.



Doch die wenigsten Gruppen können nur mit Mitteln aus dem Inland überleben. "Das Gesetz ist ein gigantischer Einschüchterungsversuch", sagt Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Unmüßig besuchte Äthiopien im Januar mit einer Delegation von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel. Der FDP-Mann setzte sich in Regierungsgesprächen nachdrücklich für die Grünen-Stiftung ein, doch entschieden ist noch nichts. Meles Zenawi ließ durchblicken, die Böll-Stiftung solle sich weiterhin auf "unpolitische" Themen wie Umwelt- und Klimaschutz konzentrieren.



Die Stiftung ist nur eine von vielen, die unter dem neuen Gesetz leidet. Es gibt Schätzungen, dass bis zu 50 Prozent der sogenannten Nichtregierungsorganisationen nicht mehr arbeitsfähig sind. Zwei der einflussreichsten Organisationen, die "Äthiopische Menschenrechtskommission" und die "Vereinigung Äthiopischer Rechtsanwältinnen" wurden gesperrt, ihre Leiter verließen Ende Juni 2010 aus Angst vor Verfolgung das Land. Wer noch tätig ist, arbeitet mit "einer Schere im Kopf", erklärt Unmüßig.



Vorbild: Demokratiebewegungen in Nordafrika

Auch die Deutsche Welle hat Probleme mit der äthiopischen Regierung: Das Kurzwellensignal des deutschen Auslandssenders wird in Äthiopien - wie auch die amerikanische "Voice of America" - seit Anfang April gestört. Der Sender vermutet eine gezielte Blockade kritischer Auslandsmedien. Bereits im Umfeld der Wahlen im Mai 2010 hatte es gezielte Programmstörungen gegeben.



Es muss sich noch zeigen, welche Auswirkungen solche Vorfälle auf die deutsche Entwicklungshilfe haben. Im Sommer stehen neue Regierungsverhandlungen mit Äthiopien an. Niebel hatte bei seinem Januar-Besuch auf die Einhaltung der Menschenrechte gepocht.



Vielleicht aber leisten die Äthiopier auch selbst einem Wandel Vorschub: Unter dem Motto "Beka" ("Genug") kursieren im Netz seit Wochen Aufrufe zu einer großen Demonstration für Freiheit und Demokratie am letzten Maiwochenende in Addis Abeba. Es sollen die größten Proteste in Äthiopiens Geschichte werden. Das große Vorbild der Veranstalter: Die Demokratiebewegungen in Nordafrika.