Caritas-Mitarbeiter zu Überschwemmungskatastrophe in Kolumbien

Metertiefe Risse durch Kirchen und ganze Dörfer

Kolumbien erlebt in diesen Wochen die schwersten Überschwemmungen seiner Geschichte. Das Wetterphänomen "La Nina" sorgt seit November für anhaltende Regenfälle, die ganze Landstriche unter Wasser gesetzt haben.

 (DR)

Friedrich Kirchner von Caritas Deutschland ist vor Ort:



KNA: Herr Kirchner, können Sie die Situation vor Ort beschreiben?

Kirchner: Wir erleben derzeit eine sehr schwierige und komplexe Situation. Das Land erlebt die schwersten Überschwemmungen in der Geschichte Kolumbiens. Es sind so viele Straßen zerstört, dass die Bauern ihre Erzeugnisse nicht mehr vermarkten können. Deswegen ist die ohnehin schon arme Bevölkerung auf dem Land besonders hart betroffen. In einigen Regionen geht es nur noch zu Fuß oder auf dem Pferd weiter, weil die Straßen nicht mehr da sind. Hinzu kommt, dass sich viele Menschen in Überschwemmungsgebieten angesiedelt haben. Hier sind ganze Umsiedlungsprogramme notwendig. Das ist eine Aufgabe, die die reine Nothilfe gar nicht mehr leisten kann.



KNA: Welche Regionen sind besonders betroffen?

Kirchner: Die Karibik-Departments im Norden des Landes, in die die großen Flüsse die Wassermassen transportieren. Allein durch den Bruch des historischen Canal del Dique sind mehr als 60.000 Menschen betroffen. Im Andenhochland um Bogota haben die landwirtschaftlichen Nutzflächen Schaden genommen. Es gibt ganze Orte, deren Untergrund durch die Wassermassen ins Schwimmen geraten ist. Es gehen metertiefe Risse durch Kirchen, Straßen und ganze Dörfer.



KNA: Können Sie die Schäden beziffern?

Kirchner: Nach offiziellen Schätzungen belaufen sich die Schäden auf umgerechnet zwei Milliarden Euro. Das ist natürlich eine enorm hohe Summe für ein Land mit der Wirtschaftskraft Kolumbiens. Das nationale Statistikamt hat die jüngsten Zahlen bereinigt und aktualisiert. Demnach sind 2,7 Millionen Menschen betroffen. Für uns besonders besorgniserregend ist die Zahl von 470.000 beschädigten Wohnhäusern.



KNA: Wie helfen Sie vor Ort?

Kirchner: Wir haben zunächst den Nothilfefonds von Caritas Colombia um 200.000 Euro aufgestockt. Zudem haben wir vom Auswärtigen Amt 200.000 Euro für das Allernötigste erhalten. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat zudem 100.000 Euro beigesteuert. Wir haben in Kolumbien erstmals ein neues Modell von Notunterkünften entwickelt und umgesetzt. Produziert werden diese umweltverträglichen Notunterkünfte komplett in Kolumbien. Wir haben binnen fünf Wochen 600 Unterkünfte für 3.600 obdachlose Menschen errichten können. Das von kolumbianischen Ingenieuren entwickelte Konzept hat auch die Regierung überzeugt, die dieses Modell nun im ganzen Land anwendet.



KNA: Wie lange wird Kolumbien mit den Folgen zu kämpfen haben?

Kirchner: Die Katastrophe wird das Land auf Jahre nachhaltig belasten. Ich denke, dass die Folgen auch 2012 und 2013 noch zu spüren sein werden.



Das Gespräch führte Tobias Käufer.