Geradezu liebevoll spricht Leo Schwarz über seine Wahlheimat. An den Menschen im bolivianischen Andenhochland imponiere ihm "die Herzlichkeit im Umgang". In Chaguaya, wo Schwarz nahe der Grenze nach Argentinien als einfacher Pfarrer lebt, gibt es "keine Sperren zum Haus, keine Schlösser, keine Klingeln". Und keine Heizung. Strom und Wasser funktionieren auch nicht immer.
"Ich teile das Leben der Menschen und bin in meinem kleinen Dorf voll akzeptiert", erzählt Schwarz. Aus Offiziellem jeder Art hält sich der meist mit Baskenmütze behütete Mann mit den markanten Gesichtszügen bewusst heraus, das kennt er aus seiner langen Berufslaufbahn zur Genüge. Jetzt will er "nur der Priester sein, der da ist". Es macht ihm sichtlich Spaß, "zum Schluss der Karriere noch mal ganz Seelsorger sein zu können."
Keine Probleme mit Begriffen wie "neue Gerechtigkeit"
Doch Schwarz wäre nicht Schwarz, hätte er zur politischen Situation keine klare Meinung. Natürlich brauche Bolivien einen strukturellen Wandel, und die Politik von Präsident Evo Morales sei "im Ansatz richtig". Doch den Wandel "auf Biegen und Brechen durchzuziehen, ist sehr spannungsreich". Wo liege etwa der Vorteil einer Nationalisierung, wenn es keine Fachkräfte gebe, die die Geschäfte weiterführen könnten? Hinzu komme die immens wachsende Korruption und die zunehmende Drogenproblematik.
Schwarz hat keine Probleme mit Begriffen wie "neue Gerechtigkeit" und "neuer Sozialismus", aber in der Realität vermisst er die Früchte der Politik von Morales. Dass sich der Kirchenmann entschieden gegen jede Form von Ideologie stemmt, hat ebenfalls mit seinen Erfahrungen in Lateinamerika zu tun.
Zwischen 1962 und 1970, seiner ersten Zeit als Priester in Bolivien, traf er im Dschungel auf die Guerilla des Che Guevara, bis heute Galionsfigur vieler Linker. Dessen Truppen wollten das Dorf überfallen, in dem Schwarz arbeitete. Mit viel Überredungskunst gelang es Schwarz, das Unheil abzuwehren. Und er lernte, wie schwierig es ist, mit Menschen zu diskutieren, die vielleicht gute Vorsätze, sich aber im Gestrüpp ihrer vermeintlichen Wahrheiten verstrickt haben.
Volksfrömmigkeit
Schwarz schaut heute wie damals lieber auf die Menschen in seiner Umgebung. Die meisten in dem 100-Einwohner-Dorf "sind damit beschäftigt, von der Muttergottes Geld zu verdienen", denn Chaguaya ist ein Marienwallfahrtsort, und die Pilger wollen vor oder nach dem Kirchgang mit traditionellen Pfannkuchen beköstigt werden, die frisch auf der Dorfstraße zubereitet werden. Immer wieder kämen die Menschen aus ganz Bolivien und Nordargentinien mit ihren Sorgen zu dem Gotteshaus, und viele versucht er "auch mit Weihwasser zu trösten".
Es ist die Volksfrömmigkeit, wie sie der nahe Bad Kreuznach geborene Winzersohn aus der eigenen Jugend kennt, "als wir uns noch auf dem Acker niederknieten, wenn die Kirchenuhr zur Wandlung schlug". Am tiefen inneren Glauben der Latinas und Latinos teilzuhaben, nimmt Schwarz als "großes Geschenk" wahr. Auch wenn er das Klima auf 2.000 Meter über dem Meeresspiegel nicht immer als angenehm empfindet.
Aber immerhin: Es gibt Wein. Die Gegend um die Distrikthauptstadt Tarija gilt als das bolivianische Andalusien und ist die einzige Weinregion des Landes. Vermarktet wird das Produkt als "Höhen-Wein". Schwarz sagt, dass er schmeckt.
"Solange ich kann, kehre ich nach Bolivien zurück"
Zu einer großen Geburtstagsfeier nach Trier eingeladen hat Schwarz nicht. "Wer kommt, kommt", sagt er bloß. Dabei gäbe es Hunderte, die er hätten einladen können. Wie kein zweiter Weihbischof hatte Schwarz Zusatzaufgaben übernommen und übernehmen müssen: Chef der Deutschen und der europäischen Kommission "Justitia et Pax" (Frieden und Gerechtigkeit), Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Bischofskonferenz und vom Osteuropa-Hilfswerk Renovabis, Geistlicher Assistent im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Und so weiter.
Doch die Zeiten sind lange vorbei. "Solange ich kann, kehre ich nach Bolivien zurück", sagt Schwarz. Zwei Drittel des Jahres verbringt er dort. Am 18. Oktober geht es zurück, zurück "ins Leben ohne gegenseitige Distanz", geprägt von bitterer Armut und großem Stolz. Aus seiner Sicht ist das indes nicht ganz uneigennützig: "Ich profitiere mehr von den Menschen dort als sie von mir."
Der ehemalige Misereor-Chef Weihbischof Schwarz wird 80
Der Weltenwandler
Vor fünf Jahren begann Leo Schwarz einen neuen Lebensabschnitt: Der emeritierte Trierer Weihbischof kehrte zurück in das Land, in dem er vor seiner Zeit als Bischof und davor als Chef des weltgrößten kirchlichen Entwicklungshilfswerks Misereor gearbeitet hatte. Am Sonntag wird der Wandler zwischen den Welten 80 Jahre alt.
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