Abriss der Kathedrale von Christchurch nach Erdbebenkatastrophe

Auferstehung in Pappmaché

Der 9. November ist ein trauriger Tag im von Tod und Zerstörung geplagten Christchurch. An diesem Mittwoch wird Bischöfin Victoria Matthews die 130 Jahre alte anglikanische Kathedrale der neuseeländischen Großstadt entweihen. Zwei Erdbeben im September 2010 und im Februar 2011 hatten das neugotische Gotteshaus schwer beschädigt.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Ein teilweiser Abriss war unausweichlich geworden. "Mir ist bewusst, wie schwierig diese Zeit für uns ist, und es stimmt mich traurig, diese Ankündigung machen zu müssen", sagte Matthews: "Auf der anderen Seite aber heißt das auch, dass wir einen Teil unseres kostbaren Erbes retten können. Die neue Kathedrale wird Altes und Neues vereinen."



Vor allem das Beben im Februar, das 181 Menschenleben forderte, hat der Kathedrale zugesetzt. Der mächtige Turm stürzte ein. Die Entweihungszeremonie bringt den Bürgern von Christchurch und ihren Landsleuten aufs Neue ins Bewusstsein, wie verheerend die Katastrophe war, die die gesamte Innenstadt zerstörte. Weil sich die Kirche in der hermetisch abgeriegelten "roten Zone" befindet, dürfen aus Sicherheitsgründen nur wenige Gäste live an dem feierlichen Akt teilnehmen. Nach der Entweihung rücken dann die Abrisskolonnen an - ein Schicksal, dass die Kirche mit allen anderen Gebäuden im Stadtzentrum teilt. "Die nächsten drei bis fünf Jahre in Christchurch werden von Abriss bestimmt sein", sagt Kathedraldekan Craig Dixon.



"Die Stadt wird weiterleben"

Mehr als 70.000 der 340.000 Einwohner haben nach der Katastrophe die Stadt verlassen, viele davon für immer. 10.000 Wohnhäuser müssen abgerissen werden, mehr als 100.000 sind reparaturbedürftig. Das Beben der Stärke 6,3 auf der Richterskala: ein mehr als deutlicher Beleg dafür, dass Christchurch auf einer unbekannten Verwerfungszone liegt. Erdbeben wird es also auch in der Zukunft geben - und Experten sind sich gar sicher, dass das richtig große Beben erst noch kommen wird. Trotzdem ist Dixon überzeugt, dass Christchurch eine Zukunft hat. "Die Stadt wird weiterleben."



Dafür wird der Dekan einen ganz besonderen Beitrag leisten. Bis zum Wiederaufbau der Kathedrale soll ein Gotteshaus für den Übergang gebaut werden: aus Pappe. Die Idee dazu kam Dixon, als ihm zufällig das Magazin "Urbis" in die Hände fiel. Darin war ein Artikel über den japanischen Stararchitekten Shigeru Ban, der sich mit Papparchitektur einen Namen gemacht hat. Eines seiner bekanntesten Projekte ist die katholische Pappkirche Takatori im japanischen Kobe, einer Stadt, die wie Christchurch durch ein Erdbeben zerstört worden war. Der 54-Jährige baut aber auch mit konventionellen Materialien, die er zu unkonventionellen Formen zusammensetzt, etwa das neue Centre Pompidou in Metz.



Kirchweihe soll am 22. Februar sein

Dixon war von der Papparchitektur begeistert. "Ich habe Shigeru Ban angerufen, und er hat sofort zugesagt", berichtet Dixon erfreut. Die Vorarbeiten für die Kathedrale aus Pappe laufen. Eine Machbarkeitsstudie steht kurz vor dem Abschluss; erste Kostenvoranschläge liegen auf dem Tisch, die Finanzierung steht durch die Versicherungssumme. Was noch fehlt, ist das Grundstück. "Wir haben mehrere Optionen", sagt Craig. In drei bis vier Wochen werde die Diözese eine Entscheidung treffen können.



Ist dies erst geschehen, soll es mit dem Bau schnell gehen. "Wir haben uns für die Form eines Dreiecks entschieden. Das ist die stabilste Struktur. Die wird auf einem Fundament aus Schiffscontainern und einem Boden aus Beton stehen", erklärt Dixon. Sein Wunschtermin für die Kirchweihe ist der 22. Februar, der erste Jahrestag des Bebens. Doch jeder Bauherr weiß, dass es beim Hausbau viele Unwägbarkeiten gibt - erst recht im erdbebengefährdeten Christchurch, wo es auch nach neun Monaten noch immer zu Nachbeben kommt. Dixon nimmt es gelassen: "Wenn es mit dem 22. Februar nichts wird, dann werden wir unsere neue Kirche eben zu Ostern weihen."