Die Caritas begrüßt den Streit um das kirchliche Selbstbestimmungsrecht

"Wir spielen den Ball zurück zur Politik"

Die Caritas bewertet die Debatte um das kirchliche Arbeitsrecht positiv: Die öffentliche Aufmerksamkeit lenke den Blick auf das eigentliche Problem, sagt Thomas Schwendele, Arbeitsrechtsexperte beim Wohlfahrtsverband, im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Es geht ums Grundsätzliche, um faire Arbeitsbedingungen für mehr als eine Million Beschäftigte. Warum ist für kirchliche Arbeitnehmer vieles anders, als bei anderen Arbeitnehmern?

Schwendele: In den 1960er und 70er Jahren haben die katholische und evangelische Kirche mit ihren Wohlfahrtsverbänden gesagt: Wir machen was Eigenes, wir machen vielleicht sogar was Besseres im Arbeitsrecht. Und hat arbeitsrechtliche Kommissionen eingesetzt, um in paritätischer Besetzung die Arbeitsrechtregelungen für die Beschäftigten festzulegen. Das war alles kein Problem, solange die arbeitsrechtlichen Kommissionen im Wesentlichen den Tarif des öffentlichen Dienstes übernommen haben. Das kam die letzten Jahre massiv in die Krise, weil der Staat uns Wettbewerb verordnet hat.



domradio.de: Und das hat was zur Folge?

Schwendele: Das sieht für die Caritas so aus, dass wir inzwischen wieder ziemlich genau den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes für die etwa 500.000 Beschäftigten der Caritas übernehmen. Die Kollegen bei der Diakonie sind aber ziemlich stinkig auf ihre Dienstgeber, weil die Dienstgeber durch eigenes Recht streckenweise so weit gegangen sind, dass sie sagen: Welchen Tarif wir wo anwenden, entscheiden wir ohne die Mitarbeiter. Und da haben die sich streckenweise günstige Tarife ausgeschaut, und da sind die Diakonie-Kollegen auf die Barrikaden gegangen und sagen, so kann es nicht weitergehen; sie haben ver.di um Hilfe gebeten, und die Antwort von ver.di heißt: Tarifverträge, Streikrecht auch für die Kirche.



domradio.de: Und auf Seite der katholischen Kirchen sieht die Situation anders aus?

Schwendele: Wir haben auch unsere schwarzen Schafe. Wir haben auch Bereiche, die ausgelagert wurden und Leiharbeit haben. Aber die Beschäftigten der katholischen Kirche und der Caritas haben gesagt: "Wir wollen den Dritten Weg retten, er hat eine Menge Vorteile für uns; vor allen Dingen haben wir eine sehr hohe Tarifbindung, wie wir sie in kleinen und mittelgroßen Einrichtungen in dem Bereich in anderen Wohlfahrtsverbänden so nicht kennen, wir würden das gerne erhalten. Und wir haben es geschafft, durch hartnäckiges Verhandeln die Tarife etwa in der Höhe des öffentlichen Dienstes zu halten." Diese Situation würden wir gerne stabilisieren und auch noch weiter verbessern.



domradio.de: Die Kirche beklagt sich, dass ihr Selbstbestimmungsrecht bedroht sei. Ist das denn noch zeitgemäß

und richtig?

Schwendele: Wenn es in Deutschland eine Kirche gibt, die sagt, wir machen manches anders. Was sollte daran falsch sein? Wenn die Kirche sagt, wir sind eine Religionsgemeinschaft, wir regeln die Sachen innerhalb des Staates nach eigenen, vielleicht sogar besseren Regeln - was sollte daran falsch sein?



domradio.de: Der Arbeitgeber Kirche hebt die "Dienstgemeinschaft" ins Zentrum der Argumente. Es gehe um den gemeinsamen Glaubenskern. Aber die Arbeitgeber-innen und Arbeitgeber erleben diese Dienstgemeinschaft oft als sehr unbefriedigend. Gerade in der Sozialarbeit ist die Not der Beschäftigten mitunter groß. Kommt denn alles, was an der Basis geschieht, und nicht wirklich gut läuft auch bei der geistlichen Leitung an?

Schwendele: Wir haben ziemlich breit aufgestellte Mitarbeitervertretungen. Die Beschäftigten können sich da schon zu Wort melden und wehren. Manches läuft gut, aber sicherlich nicht alles. Deshalb ist es gut, dass dieser Bereich gerade diese Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erhält. Da gibt es eine deutliche Bringschuld von vielen Dienstgebern. Und auch die Bischöfe haben in dem Bereich in den vergangen Jahren nicht ganz präzise hingeschaut. Die öffentliche Aufmerksamkeit tut uns gerade richtig gut.



domradio.de: Das kirchliche Arbeitsrecht war heute Thema im Bundestagsausschuss. Was erhoffen sie sich von der Debatte?

Schwendele: Die Aufmerksamkeit muss erhalten bleiben. Und die Politiker müssen merken: Wenn es im Dritten Weg nicht mehr gelingt, die Tarife richtig festzulegen, könnte das ja Ursachen haben, nämlich: Das Verhältnis zwischen Staat und Wohlfahrtsverbänden stimmt nicht mehr. Die Wohlfahrtsverbände erhalten vom Staat nicht mehr genügend Geld, um auskömmliche Löhne zu zahlen. Das ist das eigentliche Problem, das hinter der ganzen Debatte steckt. Wir spielen den Ball zurück zur Politik und sagen: Stattet bitte den Wohlfahrtsbereich mit ausreichend Geld aus, damit dort vernünftige Löhne gezahlt werden können.



Das Gespräch führte Monika Weiß.