Westafrika im Umbruch

Wohin steuert die Region nach Staatsstreichen und Terror?

Westafrika erlebt turbulente Zeiten: In Mali und Guinea-Bissau kam es innerhalb von gut drei Wochen zum Staatsstreich, in Nigeria sorgt die islamistische Terrorgruppe Boko Haram für Angst und Schrecken. Aber es gibt auch positive Entwicklungen.

Autor/in:
Katrin Gänsler
 (DR)

Im einst so ruhigen - und politisch recht bedeutungslosen - Mali ist in den vergangenen vier Wochen alles auf den Kopf gestellt worden. Das Militär putschte für alle überraschend und protestierte damit gegen einen hoffnungslosen Kampf im Norden des Landes. Dort sollten die Regierungskräfte die Tuareg-Armee MNLA (Bewegung zur Befreiung von Azawad) niederschlagen. Gelungen ist das nicht, im Gegenteil. Die MNLA hat nun sogar ihren eigenen Staat Azawad ausgerufen, der international freilich nicht anerkannt wird. Die neu geformte Übergangsregierung in Bamako und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) wollen nun alles dafür tun, die Einheit des Landes zu garantieren.



Doch ob das gelingt, ist fraglich. Der Norden Malis scheint sich immer stärker zum rechtsfreien Raum zu entwickeln. Denn neben den Tuareg-Rebellen und AQMI, Al-Kaida im afrikanischen Maghreb, sollen sich nun weitere radikal-islamische Gruppen ausbreiten. Sogar über eine Verbindung von Kräften in Mali zu Boko Haram, der nigerianischen Terrorgruppe, wird spekuliert. Bisher hat die Gruppe, deren Name übersetzt "Westliche Bildung ist Sünde" bedeutet, nur in Nigeria für Angst und Schrecken gesorgt. Seit ein paar Monaten sind Beobachter allerdings recht sicher, dass eine Verbindung zu AQMI besteht.



In diesem politischen Klima ist nun auch noch in Guinea-Bissau geputscht worden. Vergangenen Donnerstag wurde die Residenz von Premierminister Carlos Gomes Junior gestürmt, der aber noch am Leben sein soll. In der einstigen portugiesischen Kolonie sind die Gründe für einen Putsch zwar andere. Vermutlich wollten die Drahtzieher Gomes Junior, der am 29. April im Rahmen einer Stichwahl beste Chancen auf das Amt des Präsidenten gehabt hätte, schlichtweg loswerden. Er galt als jemand, der dem Drogenhandel den Kampf hätte ansagen können.



Senegal macht Hoffnung

Hannes Stegemann, Westafrika-Experte von Caritas international, sieht jedoch einen möglichen Zusammenhang mit dem Putsch in Mali: "Die Putschisten in Guinea-Bissau glauben, dass die ECOWAS im Augenblick so mit dem Problem in Mali beschäftigt ist, dass man Guinea-Bissau erst einmal links liegen lassen wird." Doch die Lage scheint sich auch dort zuzuspitzen.



Hoffnung macht indes die Entwicklung im Senegal, die sich sprichwörtlich in letzter Minute zum Guten gewendet hat. Vor der Präsidentschaftswahl Ende Februar machte das Land im äußersten Westen des Kontinents Schlagzeilen mit blutigen Demonstrationen und einem machtbesessenen, greisen Präsidenten, der alles versuchte, um ein drittes Mal wiedergewählt zu werden. Erst in letzter Minute änderte er seinen Kurs. Noch am Abend der Stichwahl soll Amtsinhaber Abdoulaye Wade telefonisch seinem Herausforderer Macky Sall zum Wahlsieg gratuliert haben. Eine kleine Sensation, über die sich das Land ebenso freute wie über den friedlichen Verlauf der Wahlen.



Nach Einschätzung von Andrea Kolb, Leiterin des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Dakar, waren vor allem die aktive Zivilgesellschaft und die freien Medien von großer Bedeutung für den erfolgreichen Verlauf der Wahl. "Sie haben für transparente Wahlen gesorgt, indem sie die Wahlergebnisse pro Wahlbüro zeitnah parallel registriert und veröffentlicht haben." Spätere Manipulationen der Stimmauszählung seien nur geringfügig möglich gewesen. Diese zivile Wachsamkeit zeige, "dass in Senegal - anders als in den meisten umliegenden Ländern - demokratische Werte tief in den Menschen verwurzelt sind", betont Kolb. Dies könne Hoffnung für den ganzen Kontinent