Tadeusz Mazowiecki wird 85 Jahre alt

Liberaler Wandler Polens

Tadeusz Mazowiecki, erster polnischer nicht-kommunistischer Ministerpräsident, wird an diesem Mittwoch 85 Jahre alt. Auf die große politische Erfahrung des liberalen Katholiken setzt heute unter anderen Staatspräsident Bronislaw Komorowski, der ihn 2010 zum offiziellen Berater berief.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Die einen Polen schätzen Mazowieckis ruhige, bedächtige Art. Die anderen kreiden ihm noch immer eine legendäre Langsamkeit an, mit der er einst das Land regiert habe. Entsprechend stellten die Macher einer erfolgreichen Satiresendung des polnischen Fernsehens Mazowiecki Anfang der 90er als eine lahme Schildkröte dar.



Im Präsidialpalast widmet sich Mazowiecki etwa Polens Rolle in der EU. Jeden Monat lädt er Experten und Politiker zu einer öffentlichen Debatte über die Europapolitik ein. Zuletzt wandte er sich in diesem Kreis gegen eine schnelle Einführung des Euro in Polen. Zunächst sollten die Euroländer ihre Probleme bewältigen; erst dann könne man Polens Bürger von den Vorteilen der Gemeinschaftswährung überzeugen. Die Einheit Europas liegt Mazowiecki noch immer am Herzen.



Seine politische Karriere ist eng mit dem Gründer der Gewerkschaftsbewegung, Lech Walesa, verbunden. Als 1980 im Zuge des Streiks der Danziger Werftarbeiter die Gewerkschaft Solidarnosc entstand, initiierte der damalige Journalist und Dozent an der illegalen "fliegenden Universität" eine Solidaritätserklärung von Intellektuellen. Walesa machte ihn zu einem seiner wichtigsten Berater. Mazowiecki übernahm als Chefredakteur die Leitung der Gewerkschaftszeitung "Tygodnik Solidarnosc". Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Demokratiebewegung im Dezember 1981 wurde er wie andere Oppositionelle interniert. Erst 1982, einen Tag vor Weihnachten, kam er wieder frei.



Wiedereinführung von schulischem Religionsunterricht

Seinen größten Erfolg feierte Mazowiecki im August 1989. Auf Vorschlag Walesas wählte ihn das Parlament, der Sejm, zum Ministerpräsidenten. Damit ging er als erster nicht-kommunistischer Ministerpräsident des damaligen Ostblocks in die Geschichte ein.

Zuvor hatte er bei den Verhandlungen mit den Kommunisten am "Runden Tisch" halbfreie Parlamentswahlen durchgesetzt, die die Solidarnosc-Bewegung gewann.



Zu seinen ersten Entscheidungen als Regierungschef gehörte die Wiedereinführung von schulischem Religionsunterricht - auf Bitten der Polnischen Bischofskonferenz. Dabei hatte Mazowiecki eigentlich seine Zweifel, ob es gut für die Kirche sei, wenn Religion ein Schulfach wird wie Physik oder Chemie. Er hätte sich nach eigenen Worten damit abfinden können, wenn der Religionsunterricht wie im Kommunismus weiter in den Pfarrgemeinden erteilt worden wäre.



Kritiker warfen Mazowiecki vor, dass er den Religionsunterricht per Verordnung und nicht per Gesetz einführte. "Ich wollte Polen nicht schon damals einen Religionskrieg spendieren", begründete er diesen Weg später in einem Interview. Zudem sei bis zum Beginn des neuen Schuljahrs zu wenig Zeit gewesen.



Träger des Gregoriusordens

Als sich Mazowiecki 1990 zu einer Präsidentschaftskandidatur drängen ließ, scheiterte er kläglich. Er belegte nur Platz drei und kam nicht einmal in die Stichwahl, die Walesa gewann. Auch die Bischöfe hatten sich mehrheitlich hinter Walesa gestellt und gingen auf Distanz zu Mazowiecki, der Zeit seines Lebens einen "offenen Katholizismus" befürwortete. Die gescheiterte Kandidatur ist längst

Geschichte: Im Januar verlieh Benedikt XVI. Mazowiecki für seine Verdienste um die Kirche den Gregoriusorden - eine der höchsten Auszeichnungen, die der Papst an Laien vergibt.



Keineswegs selbstverständlich war, dass Mazowiecki zu einem Vorreiter der deutsch-polnischen Aussöhnung wurde. Während des Zweiten Weltkriegs vertrieben ihn deutsche Soldaten aus seiner Heimatstadt Plock ins sogenannte Generalgouvernement in Ostpolen.

Sein Bruder kam im KZ ums Leben. Öffentlich sprach er darüber nie.