Beim Sonnenblumenhaus will die Initiative "Lichtenhagen bewegt sich" zur Erinnerung an die ausländerfeindlichen Ausschreitungen am Sonntag (26.08.2012) eine Eiche pflanzen und ausschildern. Dann wird es auf den Tag genau 20 Jahre her sein, dass der durch sein Sonnenblumenmosaik weithin erkennbare Plattenbau brannte und sich mehr als 100 Vietnamesen und ihre deutschen Helfer nur durch Flucht auf das Dach retten konnten.
Zu einem dauerhaften Erinnerungszeichen, wie es erst vor kurzem Politikwissenschaftler und Studenten der Universität Rostock in einer neuen Publikation gefordert hatten, konnte man sich in der mecklenburgischen Hansestadt aber noch nicht durchringen. Die Frage eines Mahnmals sei sehr ausführlich im Initiativkreis "Lichtenhagen bewegt sich" diskutiert worden, sagt Stadtsprecher Ulrich Kunze. "Die Sorge, dass damit die Aufarbeitung dieses Kapitels unserer Stadtgeschichte als "abgehakt" betrachtet werden könnte, überwog jedoch", berichtet er. Sicherlich werde die Mahnmal-Frage damit aber nicht "für alle Zeit beantwortet sein".
Das gilt wohl auch für die Auseinandersetzung mit den Ursachen der damaligen Gewaltexzesse. So beklagen die Autoren in der Publikation des Rostocker Instituts für Politik- und Verwaltungswissenschaften unter anderem, es habe noch immer keine reflektierte Auseinandersetzung über die Beteiligung der Anwohner an den rassistischen Ausschreitungen stattgefunden. Stattdessen sei man bemüht gewesen, "die "Randale" einer gesellschaftlich kleinen Gruppe von "rechten Extremisten" zuzuschieben".
Wiederholung heute "nur schwer vorstellbar"
Sie kritisieren auch, dass die als "Zigeuner" Bezeichneten in den Wochen vor Lichtenhagen "als Fremdgruppe in den Medien aufgebaut" worden seien. In den Lokalzeitungen sei Raum geschaffen worden, die Roma unter anderem als "schmutzig", "kriminell" und "asozial" darzustellen. "Der Antiziganismus der Bevölkerung hat das Pogrom entfacht", schreiben die Autoren. Diese Dimension sei jedoch hinter einen generellen Rassismus zurückgetreten, wie der Angriff auf die Unterkunft vietnamesischer Vertragsarbeiter zeige.
Heute, so ist Rostocks Sprecher Ulrich Kunze überzeugt, sind in Rostock ausländerfeindliche Ausschreitungen wie 1992 "sicher nur schwer vorstellbar". Die Stadt habe aus den Ereignissen gelernt. Das betreffe die Frage der dezentralen Unterbringung von Asylbewerbern ebenso wie Integrationsangebote und politische Teilhabe von Migranten.
"Rostock hat den ersten Ausländerbeirat im Land, viele Initiativen von Ausländern und Migranten sind in Rostock aktiv und werden auch wahrgenommen." Mit dem Bürgerbündnis "Bunt statt braun" habe sich eine "starke Kraft im Kampf gegen rechtsradikales Gedankengut gebildet". Das bedeute aber nicht, dass alle Ziele erreicht wurden. Die vielfältigen Aufgaben im Bereich der Integration würden eher noch zunehmen.
Unklar ist bislang auch noch, wo genau denn für ein anderes Opfer rechtsextremer Gewalt in der Hansestadt ein Erinnerungsort entstehen soll. Der 25-jährige Dönerverkäufer Mehmet Turgut, der im Februar 2004 von der NSU-Terrorzelle im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel in einem Imbiss erschossen worden war, soll eine Gedenkstele erhalten. Das Vorhaben, den Neudierkower Weg in Mehmet-Turgut-Weg umzubenennen, ist inzwischen gescheitert. Die Umbenennung einer anderen Straße sei aber noch nicht vom Tisch, heißt es aus der Stadtverwaltung.
Debatte um Erinnerung an Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen
Baum der Erinnerung
Braucht es einen dauerhaften Ort des Erinnerns und Gedenkens an die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen vor 20 Jahren? Darüber gehen die Meinungen in der Hansestadt auseinander. Doch nun soll ein Anfang gemacht werden.
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