domradio.de: Warum wählt man den Papst eigentlich in der Abgeschiedenheit des Konklaves?
Hubert Wolf: Es hat einerseits praktische Gründe und andererseits theologische Gründe. Die theologischen Gründe liegen auf der Hand: Gott handelt im Verborgenen. Verborgen ist er da, heißt es in diesem schönen Kirchenlied. Es soll eigentlich zeremoniell zum Ausdruck gebracht werden: Hier handelt Gott durch die Kardinäle, aber das geschieht in einem verborgenen Akt. Der eigentliche Grund ist natürlich die Erfahrung, die man mit der Papstwahl in der Geschichte gemacht hat. Es gab sehr häufig Einflussnahmen von außen: Die römische Bevölkerung stürmt das Wahllokal, die deutschen Kaiser mischen sich in die Wahl ein und deshalb hat man sich entschieden, dass eben - das war 1274 - die Form des Konklaves, die richtige Form ist.
domradio.de: Warum sind es denn nur die Kardinäle? Ganz früher in der Antike gab es ja andere Möglichkeiten, den Papst zu wählen.
Wolf: Na gut, der Bischof von Rom - von dem sprechen wir jetzt lieber mal in der Antike - der wurde so gewählt wie alle Bischöfe, nämlich von Klerus und Laien. Wer allen vorstehen soll, soll von allen gewählt werden. Das hat sich nach und nach durch heftige Auseinandersetzungen herauskristallisiert, dass sich eben an der Kurie eine Gruppe von speziellen Klerikern etabliert hat, die sogenannten Kardinäle. Auf sie wurde seit 1059 im Papstwahldekret das Wahlrecht reduziert, was sich dann in der Geschichte faktisch durchgesetzt hat.
domradio.de: Die Geschichte des Konklaves ist ja eine sehr spannende, manchmal auch ganz kuriose Geschichte. Man weiß von ganz kurzen Wahlen, man kennt auch ein Konklave, das mehr als eintausend Tage angedauert hat. Wie konnte es dazu kommen? Da haben die Kardinäle mit Sicherheit nicht viermal am Tag gewählt wie heute, oder?
Wolf: Sie müssen es sich so vorstellen, dieses Konklave hat ja zugleich die Vorschrift der Zweidrittelmehrheit und wir haben eben in der mittelalterlichen Phase eine Zahl von Kardinälen, die so zwischen 20 und 30 schwankt, jetzt nehmen Sie mal 24 Kardinäle und neun sagen, wir sind eine Gruppe, wir bleiben zusammen, dann blockieren die neun alles, weil es keine Zwei Drittel Mehrheit gibt. Dann war natürlich die Geschichte einfach so, dass man sich ewig immer wieder in neuen Wahlgängen versucht hat, aber wenn diese Gruppe zusammenbleibt, dann funktioniert nichts. Das führt ja dann zu dieser berühmten Szene, dass irgendwann die Leute von außen sagen, wenn sie nicht bald wählen, dann bekommen sie nichts mehr zu essen, dann nichts mehr zu trinken und schliesslich hat man in Viterbo sogar mitten im Sommer das Dach des Wahllokals abgedeckt, damit die Sonne auf die Kardinäle hereinsticht und dann ging es doch relativ schnell nach eben über zwei Jahren.
domradio.de: Relativ schnell ging es auch in der jüngeren Kirchengeschichte. Die letzten Wahlen der Päpste in den letzten 150 Jahren haben kaum mehr als ein paar Tage gedauert, heißt das, die Kardinäle sind sich immer schnell einig oder wie kann man sich das erklären?
Wolf: Das hängt natürlich auch mit dem medialen Interesse seit dem 19. Jahrhundert von außen an dem Konklave zusammen. Die Kardinäle stehen natürlich unter einer hohen Erwartung, die Kirche ist durch den Tod, durch den Rücktritt des Papstes in eine Krise geraten und diese Krise soll natürlich möglichst schnell beendet werden und auch hier hilft eigentlich die Zweidrittelmehrheit, denn es zeigt sich relativ schnell, der ein oder andere Kandidat, der vielleicht am Anfang sehr stark ist, geht nicht auf Zweidrittel zu, man muss sich dann auf einen Kompromisskandidaten einigen und das hat eigentlich in den letzten Konklaven immer relativ schnell funktioniert.
domradio.de: Wenn wir zum Schluss noch einmal auf die Wahl an sich schauen - gewählt ist der, der Zweidrittel der Stimmen auf sich vereinigt, warum ist das eigentlich so wichtig, so ein großes Quorum zu haben?
Wolf: Das ist wieder geschichtliche Erfahrung. Wir haben ja häufig knappe Wahlen gehabt als es die Zweidrittelmehrheit noch nicht gab. Dann gab es meistens denjenigen, der mit einer Stimme unterlegen war, der gesagt hat, bei dem anderen war eine Stimme ungültig und er hat sich ebenfalls zum Papst erklären lassen. Wir hatten nicht selten dann Papst und Gegenpapst ohne dass immer ganz klar war, wer ist nun der Richtige. Das andere ist natürlich, wenn sie mit einer Zweidrittelmehrheit ins Amt gewählt werden, haben sie natürlich auch einen hohen Anspruch auf Unterstützung. Zwei Drittel braucht aber der Papst in der jetzigen Situation auch ganz dringend, um die wichtigen Aufgaben in Bezug auf die Reform der Kurie aber auch um manche anderen anliegenden Dinge wie "Vatileaks" oder die Missbrauchsgeschichte mutig angehen zu können. Deshalb ist das Zweidrittelquorum eine ganz wichtige Sache. Die Kirche hat aus der Erfahrung der Geschichte gelernt.
domradio.de: Die ja auch Papst Benedikt in seinen letzten Verfügungen zur Papstwahl noch einmal bestätigt hat und noch einmal für spätere Wahlgänge wieder erneut eingeführt hat.
Wolf: Ich bin sehr froh darüber, dass er diese Reform wieder zurückgenommen hat. Denn das war wirklich eine Aktion, die von mangelnder Geschichtskenntnis geprägt war. Wir wissen aus der Geschichte dass Wahlen, die so ein "Geschmäckle" haben durch die Zweidrittel Mehrheit einfach verhindert werden.
Das Interview führte Matthias Friebe