Papst Franziskus ist am Samstag (23.04.2013) mit seinem Vorgänger, dem emeritierten Papst Benedikt XVI., zusammengetroffen. Das neue Oberhaupt der katholischen Kirche flog im Hubschrauber nach Castel Gandolfo, um den zurückgetretenen Benedikt in der dortigen päpstlichen Sommerresidenz zu besuchen. Mehrere Hundert Menschen hatten sich in der Hoffnung, dass der neue und der emeritierte Papst sie begrüßen würden, vor dem Hauptportal des Palastes versammelt.
Beide wollen nach Vatikanangaben gemeinsam zu Mittag essen. Franziskus hatte bereits zwei Mal mit Benedikt telefoniert, kurz nach seiner Wahl am 13. März und am Tag seiner offiziellen feierlichen Amtseinführung, dem 19. März.
Bei dem Treffen von Franziskus und Benedikt dürfte es auch um Personalentscheidungen in der vatikanischen Kurie gehen. Die mit dem Ende des vorangegangenen Pontifikats automatisch aus dem Amt geschiedenen Behördenchefs im Vatikan setzte Franziskus indes unter dem Vorbehalt von Neuernennungen wieder in ihre Ämter ein.
Noch nicht völlig in Vergessenheit
Benedikt XVI. selbst hatte noch zu seinen Amtszeiten klargemacht, dass er sich ab dem Abend des 28. Februar vollständig zurückziehen und der Kirche nur noch mit seinem Gebet dienen wolle. Dem neuen Papst sicherte er noch vor dessen Wahl seine völlige Ergebenheit und unbedingten Gehorsam zu. Seit er sich vor drei Wochen mit einem "Buona notte!" von den Bürgern des Städtchens Castel Gandolfo verabschiedete und in den Apostolischen Sommerpalast zurückzog, hat man außer einem unscharfen Paparazzi-Foto, das ihn beim Spaziergang mit Privatsekretär Georg Gänswein in den Päpstlichen Gärten zeigt, nichts mehr gesehen oder gehört.
Allerdings haben Gänswein und der neue Papst dafür gesorgt, dass der "Papa emerito" doch nicht völlig in Vergessenheit geriet. Gänswein, seit einigen Monaten auch Präfekt des Päpstlichen Hauses im Rang eines Erzbischofs, war bei fast allen offiziellen Auftritten von Papst Franziskus an dessen Seite zu sehen. Und der neue Papst rief gleich bei seinem ersten Auftritt die Gläubigen auf dem Petersplatz zum Gebet für Benedikt XVI. auf.
Seither hat er ihn mehrere Male erwähnt, zuletzt noch am Tag vor der Begegnung in Castel Gandolfo, als er zu den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschaftern sprach. Er erinnerte daran, dass der «liebe und verehrte Vorgänger» von der "Diktatur des Relativismus" spricht und vor der geistigen Armut warnt, die eintritt, wenn man nur sich selbst als Maßstab nimmt und keine Wahrheit anerkennt. Beobachter registrierten mit Interesse, dass der neue Papst von der Aussage des Vorgängers über den Relativismus nicht in der Vergangenheitsform, sondern im Präsens sprach. Das klang fast so, als ob der zurückgetretene Papst doch noch immer etwas zu sagen habe.
Rund 300 Seiten Notizen für den Nachfolger
Ob es für Benedikt XVI., der vermutlich im Mai seinen endgültigen Alterssitz in einem umgebauten Kloster in den vatikanischen Gärten beziehen wird, tatsächlich noch einmal eine Rolle über die des schweigenden Beters hinaus geben kann, ist unter Vatikan-Auguren umstritten. Während einige daran erinnern, dass es unmöglich zwei Personen geben könne, die sich das päpstliche Lehramt teilen, sagen andere, dass laut Lehre des letzten Konzils ohnehin alle Bischöfe daran teilhaben. Mithin sei es nicht prinzipiell ausgeschlossen, dass sich auch der ehemalige Papst weiter theologisch äußern könne - sofern dies in Abstimmung und im Einklang mit dem amtierenden Papst geschieht.
Wie das künftige Miteinander der beiden Männer in Weiß aussehen wird, ist Gegenstand von Spekulationen. Fest steht, dass der ehemalige Papst mit Ratschlägen und Informationen - auch über die zurückliegenden Skandale im Vatikan - für Papst Franziskus eine Hilfe sein kann. Wie die katholische Tageszeitung «Avvenire» vor wenigen Tagen berichtete, soll Benedikt XVI. seinem Nachfolger rund 300 Seiten an Notizen hinterlassen haben, und zusätzlich noch den sicher sehr informativen "Geheimbericht" der drei Kardinäle, den er nach der Vatileaks-Affäre hat anfertigen lassen.