Zum Abschied hätten sich beide mit "Bruder" angeredet und gemeinsam das Vaterunser gebetet, so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nach der halbstündigen Begegnung am Montag. Schneider sprach von einer anderen "Tonalität" im Vergleich zu Benedikt XVI. Der sei zwar ihm persönlichen Umgang auch sehr angenehm gewesen, die ökumenische Bilanz seines Pontifikats falle jedoch "gemischt" aus.
Auch inhaltlich verspricht sich Schneider offenbar vom neuen Papst geradezu einen ökumenischen Frühling: Konkrete Fragen wie das gemeinsame Abendmahl seien zwar nicht angesprochen worden. Schließlich habe er bei seinem ersten Besuch noch keine "ökumenischen Verhandlungen" vorbereiten wollen. Nach seinem Eindruck sei dieser Papst jedoch bereit, "Fenster und Türen zu öffnen, damit neue Wege möglich sind", so der EKD-Ratsvorsitzende. Insbesondere für ein gemeinsames Abendmahl für Eheleute aus gemischtkonfessionellen Ehen sieht Schneider offenbar nun größere Chancen. Er sei überzeugt, dass Franziskus, der so sehr mit der Lebenswirklichkeit armer und bedrängter Menschen vertraut sei, "emotional auch ein großes Verständnis für die Nöte gemischtkonfessioneller Familien" habe.
Mit der Reformation besser vertraut, als viele denken
Es war eine unverhoffte Ehre, dass der oberste Repräsentant des deutschen Protestantismus von einem argentinischen Papst nach kaum vier Wochen im Amt empfangen wurde - vor etlichen Kurienkardinälen und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Schneider war zwar nicht der erste Deutsche überhaupt, den Papst Franziskus zu einer Privataudienz empfing, wie die EKD zunächst mitteilte. Aber immerhin: Nach Kardinal Paul Josef Cordes war er der zweite Besucher aus Deutschland.
Franziskus ist kurz nach seinem Amtsantritt in der Ökumene noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. In einem ersten Empfang für Vertreter der christlichen Kirchen kündigte er kurz nach seiner Wahl an, dass er den ökumenischen Kurs des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) fortsetzen wolle. Anders als sein Vorgänger Benedikt XVI., der aus seinem Heimatland und als vormaliger Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation aus eigener Anschauung bestens mit dem Protestantismus vertraut war, hat es der neue Papst in Argentinien vor allem mit evangelikalen Kirchen zu tun gehabt.
Nichtsdestoweniger ist Franziskus mit der Reformation offenbar besser vertraut, als viele denken. Das bescheinigte ihm jedenfalls der vatikanische Ökumenebeauftragte Kardinal Kurt Koch, mit dem Schneider ebenfalls zusammentraf. Und immerhin stammte der erste Satz, den der neue Papst auf Deutsch sprach - dazu noch vor dem versammelten Kardinalskollegium - von einem einstigen Studenten der evangelischen Theologie aus Deutschland: dem Dichter Friedrich Hölderlin (1770-1843).
Einladung zu Reformationsjubiläum
Die Reise Schneiders nach Rom war freilich schon lange geplant. Nach Angaben der EKD ist der offizielle Anlass ein Konzert, das die EKD der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl schenkt. Man darf jedoch annehmen, dass ursprünglich auch ein Gespräch mit Benedikt XVI. vorgesehen war - eine Art Gegenbesuch für dessen Aufwartung im Augustinerkloster in Erfurt. Dann kam der unerwartete Rücktritt Benedikts XVI. und die Wahl seines Nachfolgers Franziskus. Der Verantwortliche für dessen Terminkalender blieb jedoch der Gleiche: Erzbischof Georg Gänswein.
Benedikt XVI. besuchte als erster Papst Luthers einstiges Kloster in Erfurt. Schneider lud Franziskus nun ein, das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 mitzufeiern. Es solle keine «deutsche Jubelfeier» mit einem «Helden Martin Luther» werden. Es solle vielmehr ein "Christusfest" werden, das jeder Christenmensch und auch begehen könne. Wie das konkret aussieht, wenn ein Papst ein Reformationsjubiläum "mitfeiert", blieb freilich offen.