Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, vermutet, dass es eine europäische Spitzenposition ist, die Marx seit einem Jahr bekleidet: der Kardinal leitet die EU-Bischofskommission COMECE. Auch fast alle übrigen Mitglieder des neuen Gremiums repräsentieren jeweils ihre Kontinente Afrika, Asien, Australien sowie Nord- und Südamerika. Damit zeige Franziskus, "dass er wirklich weltkirchlich denkt", sagte Glück am Sonntag bei einer Veranstaltung im oberbayerischen Markt Schwaben.
Im Münchner Ordinariat waren am Wochenende keine Auskünfte zu der Personalie zu erhalten. Doch sprechen weitere Gründe für Marx. Der Kardinal hat bereits Erfahrungen mit Verwaltungsreformen. Im Bistum Trier krempelte er den diözesanen Apparat genauso um wie nach seiner Beförderung in München. Dabei scheute er sich nicht, mit dem alten Establishment zu brechen und weit überwiegend Jüngere in Leitungspositionen seines Stabes zu berufen.
Ohne römische Station
Marx muss zudem im Vatikan keine persönlichen Rücksichten nehmen. Er hat in seinem Lebenslauf im Unterschied zu vielen anderen katholischen Verantwortungsträgern keine römische Station absolviert. Das könnte ihm einen unbefangenen Blick auf die kurialen Strukturen erleichtern. Zugleich ist der Kardinal seit langem international vernetzt. Ein gemeinsamer Bekannter mit dem argentinischen Papst ist etwa der brasilianische Kardinal Claudio Hummes.
Ein weiteres Argument könnte sein, dass sich Marx beim Thema Missbrauch klar positioniert hat. Er trat 2012 nicht nur als einer der Hauptredner beim bisher größten katholischen Kongress zu diesem Problem in Rom auf. Mit der päpstlichen Universität Gregoriana zusammen initiierte er in seiner Bischofsstadt auch ein Kinderschutzzentrum, das Kirchenmitarbeiter in aller Welt über ein multimediales Lernprogramm fit in Missbrauchsprävention machen soll. Papst Franziskus hat bereits erklärt, dass er die kompromisslose Anti-Missbrauchspolitik seines Vorgängers fortsetzen will.
Vor dem Konklave hielt sich der Münchner Erzbischof - anders als manch anderer Kardinal - gegenüber den Medien auffallend zurück. Bei den Generalkongregationen unmittelbar vor der Papstwahl wird er dafür umso offener gesprochen haben. Dabei dürfte er weniger für Neuerungen in der Lehre als für strukturelle Innovationen geworben haben.
Bereit zu Selbstkritik
Marx ist überzeugt, dass es an der Kurie eine offene Bereitschaft zum Diskurs braucht. Er zählt zu denen, die die Entwicklung des Staatssekretariats zu einer Art Generalvikariat, dem sich die alten Kongregationen unterzuordnen hätten, missbilligen. Mehr kontroverse Debatten und weniger Hofstaatsgehabe - so könnte man seine Position zusammenfassen.
Auch missfällt Marx, dass der Vatikanstaat als eine Rechtskonstruktion des 20. Jahrhunderts in der jüngeren Vergangenheit nach seiner Einschätzung viel zu wichtig geworden ist. Völkerrechtssubjekt sei jedoch nicht der "kleinste Staat der Welt", sondern der Heilige Stuhl, betont er. Dessen Ehre gelte es nun wiederherzustellen und die Vertrauenskrise zwischen der Kirchenleitung und den Ortskirchen sowie an der Kurie selbst beizulegen.
Nach seiner Rückkehr aus Rom konnte man Marx eigentümlich nachdenklich und beschwingt zugleich erleben. Die Veränderungsimpulse des neuen Pontifikats verstärkt er bei jeder Gelegenheit. Das schließt auch die Bereitschaft zur Selbstkritik ein. Angeblich trägt er sich sogar mit dem Gedanken, auf seine geliebten Zigarren zu verzichten.