Das «Tor nach Europa» ist nur ein Hosenknopf im Mittelmeer. Doch seinen klangvollen Namen kennen die Schlepperbanden vom Senegal bis Somalia: Die Insel Lampedusa lockte einst Touristen mit einem seltenen Mix aus mediterranem Urlaub und Abgeschiedenheit. Sie wurde zum Synonym für das Elend von Bootsflüchtlingen auf der Suche nach einem besseren Leben, nach Überleben, im reichen Norden. Zehntausende nahmen in den vergangenen Jahren von Nordafrika Kurs auf diese drei mal acht Kilometer Italien, den südlichsten Flecken der EU, 130 Kilometer vor Tunesien, in Schlauchbooten und Seelenverkäufern. Wie viele bisher ertranken, bleibt groben Schätzungen überlassen. Meldungen darüber sorgen für Entsetzen, und sind doch zur Routine geworden.
Nun will Papst Franziskus diese Routine der Wahrnehmung offenbar durchbrechen. Am 8. Juli wird er zu einem Kurzbesuch auf die «Flüchtlingsinsel» fliegen und Überlebende und Einheimische treffen, wie der Vatikan am Montag bekanntgab. Die Ankündigung kam überraschend. Franziskus sei tief betroffen über das Schicksal der Flüchtlinge und über die vielen Toten der Bootsunglücke, hieß es. Wahrscheinlich gaben die jüngsten Todesopfer im Mittelmeer und die Ankunft von über 1.400 Bootsflüchtlingen auf Lampedusa allein im Juni den letzten Ausschlag für die Reiseplanungen.
Treffen mit Bewohnern der Insel
In aller Diskretion wolle der Papst die Insel aufsuchen, fügte Vatikansprecher Federico Lombardi hinzu. Und Lampedusas Bürgermeister versichert, es werde absichtlich keinen festlichen Empfang geben, um dem Papst die ungeschönte Wirklichkeit des kleinen Eilands mit seinem Auffanglager und den gestrandeten Kähnen am Strand zu zeigen. In jedem Fall liegt viel Symbolik in diesem Besuch, schon weil es Franziskus' erste Pastoralreise außerhalb Roms ist. Nach der morgendlichen Landung auf dem Flugplatz will Franziskus bei einer Bootsfahrt von der Pisana-Bucht zum Hafen einen Blumenkranz in die See werfen - zum Gedenken an die vielen namenlosen Opfer der riskanten Überfahrten.
Danach will er sich mit Flüchtlingen treffen. Dabei dürfte er vor allem Zuhörer sein und vom Schicksal der Menschen vor und nach ihrer Flucht erfahren wollen. Immer wieder hatte die Überfüllung des Auffanglagers in der Vergangenheit miserable hygienische Verhältnisse geschaffen und gewaltsame Ausbrüche verzweifelter Insassen provoziert. Aber auch den eingesessenen Bewohnern möchte der Papst begegnen, so beim Besuch der Pfarrei San Gerlando. Auch sie wolle der Papst ermutigen, den Druck auf ihre Insel möglichst gelassen auszuhalten. Mehrfach kam es zu heftigen Spannungen zwischen Insulanern und Ankömmlingen. Den rund 4.500 Einheimischen hier geht es zwar besser als den Menschen hinter dem Zaun, aber kaum gut. Zur Kargheit der Einkünfte durch den Fischfang kommen auf der «Flüchtlingsinsel» die Sorgen um ausbleibende Touristen.
Eine grundsätzliche Frage
Höhepunkt des Besuchs ist die Papstmesse in der Sportarena. Womöglich wird sich Franziskus dabei auch zu Rechtsfragen in der Flüchtlingspolitik äußern. Vor allem im Dublin-II-Abkommen der EU sehen viele Südeuropäer eine ungleiche Belastung, da es allein den Ankunftsländern die Pflicht der Asylverfahren zuweist. Von Griechenland bis Spanien rechtfertigen Politiker damit die Abfertigung von Flüchtlingen im Schnellverfahren. Immerhin verbietet ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen Italien aus dem vergangenen Jahr, dass ihre Boote von der Küstenwache in unsichere Länder wie Libyen zurückgeschickt werden können.
Vermutlich wird der Papst aber vor allem die grundsätzliche Frage stellen: Wie geht Europa auf Dauer mit dem Andrang von Menschen um, die zwar in der Regel nicht von ihren Regierungen, wohl aber von den eigenen Lebensumständen verfolgt werden, von Krieg, Hunger, Arbeitslosigkeit? Welche neuen Antworten verlangt die materielle Kluft zwischen Nord und Süd? Mit dieser Auftaktreise begibt sich Franziskus auf ein Terrain, auf dem er sich auskennt. Sein Profil als Papst der Menschen im Abseits dürfte sie weiter schärfen.