Pfingstkirchler, Schlagerdichter und Indigene warten in Rio

Der Papst kann gerne kommen

Rio wartet auf den Papst. Unter den Tausenden, für die Franziskus Inspiration und Hoffnungsträger ist, sind auch drei, die nicht zum Kernpublikum des am Dienstag beginnenden Weltjugendtags gehören.

Autor/in:
Thomas Milz
Favela Santa Marta (KNA)
Favela Santa Marta / ( KNA )

Da ist die Kirche "Assembleia de Deus". Laute Gospelmusik dringt aus der geöffneten Flügeltür. Brasiliens älteste Pfingstgemeinde in der Favela Varginha ist bekannt für schwungvolle Kulte, und in diesen Tagen strengt sie sich besonders an. Wenn Papst Franziskus am Donnerstag das Armenviertel besucht und zu Fuß die Straße herunterkommt, hätte er die Wahl: nach rechts auf den Bolzplatz abzubiegen, um eine Ansprache an die Bewohner zu halten, oder linker Hand zum Tempel der "Assembleia".

"Unsere Tür wird offen sein, und wir werden hier auf ihn warten", sagt Elenilson de Oliveira, der jungenhafte Pastor der Kirche. "Wir sind ja schließlich alle Brüder." Tatsache ist: Die katholische Kirche, die einst über 90 Prozent der Bevölkerung Brasiliens vereinte, hat eine beträchtliche Zahl von Seelen an neue Kirchen verloren. Aber Brasilianer sind unkompliziert und spontan, und der argentinische Papst soll es auch sein. Könnte es in der kleinen Favela im Norden von Rio tatsächlich zu einer spontanen ökumenischen Visite kommen? "Wunderbar wäre das", meint Elenilson. "Mit unseren katholischen Brüdern haben wir ja keinerlei Kontroverse."

Raum für Überraschungen gibt es also. Vielleicht vernimmt Papst Franziskus in einem stillen Moment auch die Klänge eines seichten Popsongs aus kleinen, tragbaren Boxen. Mit denen ist Ivan Macedo unterwegs, ein glatzköpfiges Allround-Talent irgendwo zwischen 40 und 60, mit weißen Lederschuhen und einer verspiegelten Sonnenbrille. "Ich verfolgte gerade die Wahl des Papstes vor dem Fernseher, als ich plötzlich eine Art Erweckungserlebnis hatte." Als im fernen Rom weißer Rauch zum Himmel quoll, stieg in Ivan am Rand von Rio ein Liedtext auf.

Danach kam noch die passende Melodie dazu, und mittlerweile ist das Lied aufgenommen, auf CD gebrannt und mit einem selbstgebastelten Cover versehen. "Nun kommt also der Papst, halb Franziskaner, halb Jesuit, und mit wohlgewählten Worten und einem Lächeln voller Liebe", endet Ivans Lied. Im Radio sei es schon gelaufen, sagt er. Auch auf Youtube steht der Song. "Bei einer Rückschau in 20 oder 30 Jahren", sagt Ivan, "wird der Papstbesuch als der große Wendepunkt in der Geschichte von Rio de Janeiro gelten." Und heimlich hofft er, Franziskus persönlich zu treffen. "Ich lasse diese Dinge einfach geschehen, und man sagt ja: wer sät, der erntet."

Ein dringlicheres Anliegen hat Papion Karipuna, indigene Aktivistin aus dem Amazonas-Urwald. In Rio setzt sie sich für die Rechte ihrer indigenen Mitbürger ein, allen voran für die der Pataxo-Indigenen aus dem Bundesstaat Bahia. Franziskus ist Jesuit, und für Karipuna begann die Leidensgeschichte der Pataxos mit der Ankunft der Jesuiten um 1500. Deshalb, sagt sie, "wollen wir mit ihm persönlich reden". Einen Brief hat sie vorbereitet, sie will ihn gemeinsam mit einer Heiligenfigur aus dem Amazonasgebiet dem Papst übergeben.

Es geht um die Anerkennung ihrer Landrechte, für die sie seit der Ankunft der Portugiesen kämpfen. Karipuna verhandelt mit den Organisatoren der Papstreise, um zu Franziskus vorgelassen zu werden. Indigene aus Bolivien und Ecuador habe der Papst ja schon empfangen, nun seien die Brasilianer an der Reihe. 70 junge Pataxos sind nach Rio gereist und sich in der Rocinha-Favela einquartiert. "Viele Jugendliche haben Kokosnüsse am Strand verkauft, um sich das Busticket nach Rio leisten zu können", sagt Karipuna.

Die Pataxos nennen sich selbst katholisch, pflegen aber auch ihre angestammte Religion weiter. "Die indigene Religion ist die einzige, die externe Religionen wie den Katholizismus integrieren kann, ohne dabei eigene Identität zu verlieren", sagt Karipuna. Noch hat sie Hoffnung auf einen Termin beim Papst. "Wenigstens einer von uns" soll ihn treffen. Dann, so ist sie sicher, wird man ihre Anliegen eher hören.

 


Quelle:
KNA