Prälat Klaschka zieht ein Fazit zum WJT

"Verändert die Gesellschaft!"

Der Weltjugendtag ist zu Ende - die Botschaft bleibt. Prälat Bernd Klaschka blickt im domradio.de-Interview zurück auf die vergangenen Tage in Rio de Janeiro.

Jugendliche am Strand von Rio / © Harald Oppitz (KNA)
Jugendliche am Strand von Rio / © Harald Oppitz ( KNA )

domradio.de: Prälat Klaschka, wir haben hier gerade die große Abschlussmesse mit Papst Franziskus und den Jugendlichen am Strand von Copacabana gesehen. Das waren ja Bilder, wie man sie in Europa so wahrscheinlich nicht zu Gesicht bekommen würde, oder?
Bernd Klaschka: Ich denke, in Europa würde es etwas nüchterner zugehen. Allerdings auch auf einem sehr hohen Niveau wie hier auch. Man sah die Begeisterung der Menschen in den Bildern, insbesondere der Jugendlichen. Diese Bilder wurden auch hervorgerufen durch die Art und Weise, wie Papst Franziskus auf die Jugendlichen zugeht, er spricht sie direkt an, er fordert sie ein und er gibt ihnen einen enorm hohen Vertrauensvorschuss. Das ist mir noch einmal insbesondere bei seiner Ansprache bewusst geworden; er bestätigt sie auf ihrem Weg, und das spricht jeden jungen Menschen an und er spürt: Das Vertrauen des Papstes setzt in mir Kräfte frei.

Und wenn Kräfte freigesetzt werden, wird auch Begeisterung freigesetzt. Ich denke in Europa, wären nicht so viele junge Menschen gekommen wie hier zur Copacabana. Der brasilianische Elan und die brasilianische Mentalität kennzeichnen auch den Gottesdienst, die Freude, die Spontaneität ‑ das war eine gute Botschaft für die Welt, dass hier in Brasilien die jungen Menschen in ihrem Christentum lebendig sind.

domradio.de: Schauen wir einmal auf die inhaltliche Botschaft des Papstes an die jungen Leute. Da war eigentlich jede Begegnung anders, oder?
Klaschka: Ich habe den Eindruck, dass der Papst einer gewissen didaktischen Sequenz gefolgt ist: Jede Begegnung war anders, am Anfang hat er einen Schwerpunkt gesetzt in der Begegnung mit jungen Menschen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt werden; ich habe auch den Eindruck, dass der Papst viele Kernelemente der Botschaft von Aparecida beziehungsweise des Schlussdokuments der Kirchen Lateinamerikas in Aparecida aufgenommen hat, die Ausgeschlossenen, den "Müll", so formuliert es Aparecida, nicht Müll sein zu lassen, sondern ihn aufzusuchen. Er war bei Drogenabhängigen, er war in einer Entzugsklinik, die er auch einweihte. Dort hat er einen ganz großen Schwerpunkt gesetzt.

Dann gestern Abend bei den Jugendlichen hat er gesagt: Gehet hinaus, werdet Protagonisten der Geschichte, bleibt nicht auf dem Balkon stehen und schaut Euch die Geschichte an, sondern werdet selbst zu Handelnden der Geschichte, geht auf die Straße. Und heute im Gottesdienst in seiner Predigt hat er in drei Schritten, einer typisch jesuitischen Didaktik, den jungen Menschen gesagt: Geht hinaus, also bewegt Euch, Bewegung. Das Zweite ist: Bewegt Euch ohne Angst. Und ohne Angst - das kann man letztlich nur im Gottvertrauen. Und im Vertrauen auch auf sich selbst. Und das Dritte ist: Geht, um zu dienen. Geht also, um den Menschen zu dienen, das war spirituell sehr tief. Und das gibt dann auch Kraft, in schwierigen Situationen das Dienen durchzuhalten und die Präsenz des Evangeliums und die Präsenz Jesu den Menschen zu verdeutlichen.

domradio.de: Würden Sie sagen, der politischste Moment dieser Ansprachen an die jungen Leute war bei der Vigil, als er nämlich zum Beispiel auch die Proteste direkt angesprochen hat?
Klaschka: Das war gestern Abend der politischste Moment. Und er war sich auch bewusst, dass eine Vigil einen anderen Charakter hat als eine Eucharistiefeier. Die Eucharistiefeier ist keine politische Demonstration oder Manifestation, sondern ist Feier des Glaubens, aber gestern Abend in der Vigil hatten alle Elemente christlichen Glaubens wie die Feier des Glaubens, wie die Verkündigung des Glaubens und auch wie die politische Stellungnahme ihren Platz.

Und gestern Abend hat er ganz deutlich gesprochen: Geht hinaus auf die Straße, verändert die Gesellschaft, seid kreativ, seid solidarisch und bringt Euch selbst ein. Bleibt nicht Zuschauer. Im Grunde genommen hat er gesagt: Demonstriert, fordert Eure Rechte ein und gestaltet die Zukunft!

domradio.de: Im Vorfeld des WJT hier in Brasilien ist viel über Sicherheitsmängel geschrieben worden, darüber, dass das alles gar nicht funktionieren könnte. Der Verkehr würde zusammenbrechen, auch während dieser Tage haben wir ab und zu solche Stimmen aus Deutschland gehört. Wie haben Sie selbst diesen organisatorischen Teil erlebt?
Klaschka: Rio ist eine große Stadt mit sechs Millionen Einwohnern. Keine Stadt in Deutschland hat sechs Millionen Einwohner. In den Tagen, in denen ich hier gewesen bin, habe ich den normalen Großstadtverkehr erlebt, kein Chaos; ich habe Staus erlebt, aber in Deutschland erlebt man auf der A40 auch sehr viel Staus, jeden Tag, jeden Morgen, manchmal stundenlang, insbesondere wenn ein Unfall passiert ist, dann gibt es 10-15 km lange Staus. Hier herrscht der normale Verkehr einer Großstadt. Zu den Ereignissen, zu den Events war der Verkehr relativ flüssig, und die Jugendlichen waren sehr diszipliniert und sehr kooperationsbereit, damit dieser WJT gelingen konnte.

Ich finde es auch eine enorme organisatorische und logistische Leistung, die Abschlussmesse aufgrund der unmöglichen Bodenverhältnisse auf dem Campo Fidei, also auf dem Glaubensfeld, wo die Abschlussmesse eigentlich stattfinden sollte, hier nach Rio zu verlegen ‑ und bisher ist nichts Schlimmes passiert und auch alles ruhig verlaufen ‑ und wenn sich dann Millionen Menschen hier versammeln, ohne dass es zu schweren Ausschreitungen oder auch Unfällen oder Chaos kommt ‑ ich habe kein Chaos gesehen ‑, dann bedeutet das, dass die Brasilianer enorm fähig im Organisieren, aber auch in der Improvisation sind. Beides gehört zusammen, und damit zeigt sich auch die Flexibilität, auf die Situation reagieren zu können. Das war eine Meisterleistung!

domradio.de: Der WJT geht jetzt zu Ende. Was wünschen Sie sich sollen die jungen Leute, die jetzt nach Hause reisen, mitnehmen? Und was sollen die jungen Brasilianer hier als Erinnerung zurückbehalten?
Klaschka: Der Papst hat ja in seiner Messe die Jugendlichen ausgesandt. Er hat ihnen gesagt: Mischt Euch ein. Die Brasilianer hat er dazu aufgefordert, sich für bessere Lebensverhältnisse hier in ihrem Land einzusetzen. Gestern hat er es auch noch einmal den brasilianischen Bischöfen ins Stammbuch geschrieben und auch den Politiker, gegen Korruption, gegen ein schlechtes Gesundheitswesen zu demonstrieren und die Lebensverhältnisse, insbesondere der Armen, zu verbessern. Ich habe selten in kirchlichen Ereignissen das Wort Arme so oft gehört wie in diesen Tagen. Sowohl Kirche der Armen als auch Kirche für die Armen. Und das, denke ich, ist ein Schwerpunkt für sich. Und dafür gilt es sich einzusetzen.

Und das Zweite ist: Wenn die Jugendlichen in die Welt hinausgehen - und das muss man ja nun sagen, das In-die-Welt-Hinausgehen betrifft wohl mehr als 100 vertretene Länder -, wenn sie diese Botschaft mitnehmen als junge Menschen: Wir mischen uns ein, wir haben das Vertrauen Jesu - denn der Papst hat nicht gesagt: Ihr habt mein Vertrauen, sondern er hat immer gesagt: Ihr habt das Vertrauen Jesu, er hat sich also auf Jesus zurückbezogen ‑, dann glaube ich, ergibt das eine Stärkung der junge Menschen. Und wenn sie sich dann entsprechend organisieren und entsprechende Schritte einleiten, dann kann das zu einer besseren Welt führen.

domradio.de: Was nehmen Sie selbst mit nach Hause?
Klaschka: Ich nehme mit nach Deutschland einmal, was Adveniat betrifft: eine Bestätigung und Vertiefung unserer Arbeit, die Option für die Armen, die Adveniat hier unterstützt, weil es auch die Option der Kirche Lateinamerikas ist. Heute Morgen gab es noch einmal den Appell des Papstes, die Jugend pastoral zu fördern. Auch dafür optiert Adveniat. Und ich gehe mit viel Hoffnung und Anregung nach Hause - und auch ermutigt im Glauben.

domradio.de: Jetzt ist hier Krakau als Veranstaltungsort des nächsten WJT verkündet worden. Was bedeutet das?
Klaschka: Ich glaube, man hat sich für Polen entschieden, einmal im Rückgriff auf Johannes Paul II., seine Bedeutung innerhalb der katholischen Kirche, aber auch wegen der Jugend Polens. Polen ist das katholischste Land innerhalb Europas und hat auch eine sehr stark vom Glauben geprägte Jugend. Ich glaube, dass ist insbesondere für Osteuropa ein Zeichen, aber auch für Westeuropa, denn Polen ist die Schnittstelle zwischen Ost- und Westeuropa. Insofern ist die Wahl dieses Ortes bedeutsam für die Jugend in ganz Europa, damit Europa zusammenwächst.

domradio.de: Ganz herzlichen Dank!


Prälat Bernd Klaschka (dpa)
Prälat Bernd Klaschka / ( dpa )
Quelle:
DR