Zahl der Wohnungslosen in Deutschland steigt auf 284.000

Trauriger Rekord

Die Zahl der Menschen, die keine feste Wohnung haben, steigt. Grund sind nach Darstellung der Wohnungslosenhilfe steigende Mieten. Harte Hartz-IV-Sanktionen drängen nach ihrer Einschätzung zudem vor allem unter 25-Jährige auf die Straße.

Armut macht krank (dpa)
Armut macht krank / ( dpa )

Die Zahl der Obdachlosen in Deutschland ist der aktuellen Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zufolge 2012 auf 284.000 angestiegen. Das entspreche einem Zuwachs von 15 Prozent gegenüber 2010, sagte Verbands-Geschäftsführer Thomas Specht am Donnerstag in Berlin.

Wesentlicher Grund seien steigende Mieten. Specht geht von einem weiteren Anstieg der Wohnungslosen in den nächsten Jahren aus. 2016 könnten demnach 380.000 Menschen in Deutschland wohnungslos sein.

Der Schätzung der in Bielefeld befindlichen Bundesarbeitsgemeinschaft zufolge ist die Zahl der Menschen, die ohne jede Unterkunft auf der Straße leben, von 22.000 auf 24.000 gestiegen. Sie seien aber nur die sichtbare "Spitze des Einbergs".

Viele Wohnungslose lebten in Notunterkünften, manche weichen Specht zufolge inzwischen auch auf Campingplätze aus. Allein 2012 gab es nach Angaben des Verbands 65.000 Wohnungsverluste, in 25.000 Fällen davon wurde zwangsgeräumt. Neben den 284.000 bereits obdachlos gewordenen Menschen, waren im vergangenen Jahr nach Spechts Worten 130.000 Menschen vom Wohnungsverlust bedroht.

Dreiviertel Männer

75 Prozent der Wohnungslosen sind der Verbands-Statistik zufolge Männer. 64 Prozent sind alleinstehend, der Rest lebt mit Partner oder sogar mit Kindern ohne festen Wohnsitz. Die Bundesarbeitsgemeinschaft schätzt, dass inzwischen 32.000 Kinder und Jugendliche wohnungslos sind.

Specht macht vor allem den knappen Wohnungsmarkt für die steigende Zahl der Wohnungslosen verantwortlich. Es gebe kein ausreichendes Angebot an preiswerten Wohnungen mehr, insbesondere für Alleinstehende, sagte er. Der Verbands-Geschäftsführer forderte eine Verankerung der Wohnungspolitik auf Bundesebene und eine aktive Wohnungsbaupolitik in Ländern und Kommunen. Er befürwortete den Vorschlag der SPD für eine Mietpreisbremse. Sein Verband setze sich dafür ein, dass bei Neu- und Wiedervermietung einer Wohnung die Miete nicht mehr als zehn Prozent steigen darf.

Vor allem für junge Menschen ohne Einkommen sieht Specht eine große Gefahr, die feste Bleibe zu verlieren. Bei unter 25-jährigen Hartz-IV-Empfängern seien Sanktionen auch bei den Kosten der Unterkunft erlaubt. "Ich halte das für verfassungswidrig", sagt Specht, der fürchtet, dass mehr junge Erwachsene bei Versäumnissen gegenüber dem Amt auf der Straße landen.

Specht kritisierte zudem erneut, dass die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland nicht amtlich gezählt werde. Als einziges Land führt Nordrhein-Westfalen eine Wohnungsnotfallstatistik. Andere Länder könnten das übernehmen, forderte Specht. Die Schätzung des Verbands mit Sitz in Bielefeld basiert auf einer im Jahr 1992 im Auftrag der Bundesregierung erstellten Hochrechnung, die mithilfe aktueller Einschätzungen seitdem im Zweijahrestakt fortgeschrieben wird.

 


Quelle:
epd