Ägypten: Kommentar zur Lage der Christen

"Wo bleibt die Solidarität?"

Hunderte Menschen sind bei den Unruhen in Ägypten in den vergangenen Tagen gestorben, eine friedliche Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Ein Kommentar von Nadim K. Ammann, Referatsleiter in der Diözesanstelle Weltkirche im Erzbistum Köln.

Solidarität der Religionen in Ägypten (dpa)
Solidarität der Religionen in Ägypten / ( dpa )

Ägypten – Mutter der Welt. Wie oft habe ich in den fünf Tagen meines kurzen Aufenthaltes in Kairo diese Worte gehört. Ein Freund sagte mir gleich zu Beginn: "Deutschland ist viel besser als Ägypten, aber Ägypten ist die Mutter der Welt. Wie kann man Ägypten zurechtweisen, Ratschläge erteilen? Das kann man mit der Mutter der Welt nicht tun."

Selten habe ich die Ägypter so einig erlebt wie in diesen Tagen. Obwohl alle ahnten, dass nach dem Bayram, dem Fest nach dem Ramadan, die Armee die Lager der Muslimbrüder räumen würde und es zu Ausschreitungen und Toten kommen würde, sind sich alle einig, dass die Armee das Richtige tut. Das Jahr mit den Muslimbrüdern will keiner mehr. Am deutlichsten sind die Christen, die nicht begreifen, wie der Westen die Muslimbrüder verteidigt, nur weil sie legal gewählt wurden. Während des Jahres mit den Muslimbrüdern war nichts demokratisch. Die Minderheiten hatten keine Chance. Dass der Präsident nicht zur Inthronisierung des koptischen Papstes gegangen ist, war nicht akzeptabel. Dass kein Wort der Unterstützung nach Angriffen gegen die Kathedrale und Kirchen in Oberägypten gefallen sind, ebenso. Während meines Aufenthaltes wurde an die Türen der chaldäischen Kirche "Islam" gesprayt. Laut Aussage von Mgr. Philip Nijm sollen mehrere hundert fanatische Demonstranten vor der Kirche gestanden haben, die Polizei habe sich in der Kirche verschanzt. In den vergangenen Wochen waren Christen wiederholt Angriffen ausgesetzt. Eine Stimme der Unterstützung, der Anteilnahme aus dem Westen blieb aus. Der Pressesprecher der katholischen Bischofskonferenz, Archimandrit Rafic Greiche sagt, dass man ihn selten kontaktiere, aus manchen Ländern hätte sich noch kein Korrespondent mit ihm unterhalten.

Auch meine muslimischen Freunde sehen das so. Eine Regierung muss sich um die gesamte Bevölkerung kümmern, auch um die Minderheiten. In den Dörfern in Oberägypten hätten Muslime sich schützend um die Kirchen gestellt, Christen hätten wiederum betende Muslime beschützt. Man sei zusammengerückt, würde sich gegen die Macht der Muslimbrüder gemeinsam aufbäumen. Die Mehrheit der Muslime in Ägypten will ein entwickeltes Land, ist stolz auf das, was Ägypten geleistet hat, war den Touristen immer ein gastfreundliches Land. Mit den Muslimbrüdern hätte Ägypten seinen Ruf eingebüßt.

Mit der Solidarität aus dem Ausland rechnet man nicht mehr. Wie kann es sein, das angesichts brennender Kirchen, getöteten Priestern, die westliche Welt weiterhin nach einer Einbindung der Muslimbrüder ruft? Sie seien doch gar nicht daran interessiert, ihre Ideologie würde es nicht zulassen. Selten hat man erlebt, dass Politiker aus der ganzen Welt zu Vermittlungsversuchen anreisen. Das kann man nicht verstehen. Wo bleibt die Solidarität mit den Christen? Haben sich die Politiker auch mit den Kirchenführern getroffen, sich nach den Christen erkundigt?

Für die Katholiken fielen die Gottesdienste anlässlich des Festes der Auferstehung aus, es herrschte Ausgangssperre. Deshalb wurden die Christen weltweit gebeten, einen Rosenkranz für den Frieden in Ägypten zu beten. Schließen wir uns dem an und beten, dass die Mutter der Welt möglichst schnell wieder zum Frieden findet.


Quelle:
DR