Mehr Arbeiterkinder in die Unis

"Ihr schafft das!"

Immer noch schlagen Arbeiterkinder die akademische Laufbahn viel seltener ein als Akademikerkinder. Die Gründerin der Initiative ArbeiterKind.de Katja Urbatsch erklärt im domradio.de-Interview, wie sich das ändern kann.

Studium (dpa)
Studium / ( dpa )

domradio.de: Bis zum Abitur schaffen es Viele aus so genannten bildungsfernen Familien. Dann kommt der Bruch, und nur ein kleiner Teil von ihnen schlägt die akademische Laufbahn ein. Wie kommt das?

Urbatsch: Wenn man, so wie ich, aus einer Familie kommt, in der noch niemand vorher studiert hat, dann muss man erst mal auf die Idee kommen, dass man überhaupt studieren könnte und nicht nur eine Ausbildung machen kann. Eine Ausbildung ist natürlich auch toll. Aber man tendiert dazu, einfach das zu machen, was die eigene Familie gemacht hat. Und uns geht es einfach darum, die Perspektive auszuweiten und darauf aufmerksam zu machen, dass man auch studieren kann.

domradio.de: Für Viele ist ja auch das BAföG eine echte Bremse, das heißt, die Finanzierung ihres Studiums. Wenn nun jemand das Abitur in der Tasche hat und Angst hat, an die Universität zu gehen – wie sieht denn Ihre Beratung dann aus?

Urbatsch: Wir möchten mit Vorbildern, das sind überwiegend Ehrenamtliche, die selber aus nicht-akademischen Familien kommen, andere ermutigen. Das heißt, wir gehen in die Schulen, erzählen dort unsere Bildungsgeschichte, wir informieren auch über Finanzierungsmöglichkeiten. Viele haben Angst vor der Finanzierung, wissen nicht genau, wie sie das machen können. Dann erzählen wir, wie das mit dem BAföG funktioniert und dass es Stipendien gibt. Da arbeiten wir auch mit vielen Begabtenförderwerken zusammen, die Stipendien vergeben und mit deren Stipendiaten wir dann in die Schulen gehen.

domradio.de: Viele Eltern scheuen sich ja, ihren Kindern ein Studium zu empfehlen, selbst wenn sie BAföG bekommen. Warum ist das so und was sagen Sie denen dann?

Urbatsch: Das sind natürlich ganz oft Unsicherheiten und Ängste. Die wissen nicht, wie das genau funktioniert. Man muss erst mal in die Ausbildung investieren und weiß nicht, was am Ende dabei rauskommt. Wir versuchen dann, Sicherheit zu geben, erzählen, wie das bei uns war. Sagen ihnen, dass das schon klappen wird und dass es immer Möglichkeiten gibt.

domradio.de: Was ist denn Ihre wichtigste Botschaft, wenn nun ein Arbeiterkind zu Ihnen kommt?

Urbatsch: Am wichtigsten ist, Mut zu machen. Wenn einer etwas möchte, ist das in der Regel auch zu schaffen. Es gibt immer Möglichkeiten, immer Unterstützung. Wir möchten das Selbstbewusstsein stärken und den Menschen Mut machen, sich etwas zuzutrauen.

domradio.de: Vor fünf Jahren haben Sie die Initiative gegründet. Was hat sich denn seitdem getan?

Urbatsch: Am Anfang war ich noch recht alleine, mit zwei Mitstreitern. Wir haben das ehrenamtlich gemacht. In den letzten fünf Jahren sind wir enorm gewachsen. Jetzt sind wir über 5000 Ehrenamtliche in 70 Gruppen in ganz Deutschland, dazu ein hauptamtliches Team. Also, wir konnten uns sehr ausweiten. Und ich glaube, wir haben es auch geschafft, ein neues Bewusstsein zu schaffen für diese Studierenden der ersten Generation, mit welchen Hürden sie zu kämpfen haben, wie man sie ermutigen kann. Es wurde auch schon von Stiftungen aufgegriffen, die Veranstaltungen zum Thema machen und Stipendien vergeben. Auch im Internet, in der Öffentlichkeit haben wir das Gefühl, dass das Thema immer mehr aufgegriffen wird.

domradio.de: Warum ist es Ihnen so wichtig, dass Arbeiterkinder an die Unis gehen? Betrachten wir das vielleicht auch mal aus der gesellschaftlichen Perspektive.

Urbatsch: Zum einen ist es mir wichtig, dass es nicht vom sozialen Hintergrund oder vom Bildungshintergrund der Eltern abhängt, welche Bildungsentscheidung man trifft. Sondern dass es jedem offen steht, jeden möglichen Bildungsweg zu gehen. Zum anderen denke ich aber auch, dass gerade diejenigen aus nicht-akademischen Familien besondere Kompetenzen mitbringen und eine große Bereicherung sind für die akademische Welt. Nicht vergessen darf man auch, dass wir gerade durch den demografischen Wandel einen hohen Bedarf an Fachkräften haben, den wir gar nicht mehr decken können. Und da gibt es in unserer Gesellschaft noch sehr viel Potenzial zu heben.

domradio.de: Sie haben eingangs erwähnt, dass Sie die Hindernisse für eine Hochschullaufbahn aus eigener Erfahrung kennen. Wie sind Sie denn gefördert worden?

Urbatsch: Ich hab das Glück gehabt, dass meine Eltern mich zum einen unterstützt haben. Zum anderen wurde ich in unserer Kirchengemeinde in Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh in Nordrhein-Westfalen sehr gefördert. Da kam der Pfarrer und sagte: Die Katja wird jetzt mal Messdienerin und Organistin. Da habe ich sehr von profitiert. Oder auch im Sportverein, ich bin dann Basketballtrainerin geworden. Nie wäre ich auf die Idee gekommen das zu machen. Ich wurde immer von anderen ermutigt, die gesagt haben, das kannst du, das können wir uns gut vorstellen.

domradio.de: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Monika Weiß.


Quelle:
DR