Damit hatten auch die schärfsten Kritiker des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst (53) nicht gerechnet: Rund 31 Millionen Euro soll nun das neue Diözesane Zentrum mit Bischofshaus am Limburger Domberg kosten. Diese Zahl nannte am Montagabend das Bistum Limburg unter Bezugnahme auf den Vermögensverwaltungsrat des Bischöflichen Stuhls.
Als im Jahr 2010 mit den Baumaßnahmen begonnen wurde, ging man von 5,5 Millionen Euro aus. Als dann das Diözesane Zentrum nach dreijähriger Bauzeit Ende Juni seiner Bestimmung übergeben wurde, wurden die Kosten mit 9,85 Millionen Euro beziffert. Als ein Grund wurden strenge Auflange des Denkmlaschutzes genannt. Doch bald wurde diese Angabe korrigiert, ging das Bistum von weit mehr als zehn Millionen Euro aus. Nun also sind es 31 Millionen Euro. Wie erklärt sich die Kostenexplosion? Woher soll das Geld kommen?
Alle zur Verfügung stehenden Unterlagen würden jetzt der von Tebartz-van Elst Anfang September erbetenen Sonderkommission der Deutschen Bischofskonferenz zugeleitet, so das Bistum. Diese habe den Auftrag, "die verschiedenen Einzelprojekte der gesamten Baumaßnahme hinsichtlich der Kosten und der Finanzierung zu überprüfen". Das Ergebnis werde anschließend dem Bischof und der Öffentlichkeit vorgelegt.
Folgt man dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, könnte es im November soweit sein. Am Rande der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz in der letzten Septemberwoche in Fulda hatte Zollitsch geäußert, er sei dabei, die von Tebartz-van Elst erbetene Kommission zusammenzustellen. Sie solle sich möglicherweise schon in den nächsten sechs bis acht Wochen einen Überblick verschaffen. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass da etwas auf die lange Bank geschoben werde, betonte Zollitsch. Es gehe darum, wieder Vertrauen zu gewinnen.
Zur Finanzierung des Diözesanen Zentrums hatte das Bistum Limburg seinerzeit dem Vernehmen nach aus Kirchensteuermitteln eine Rücklage in Höhe von 2,5 Millionen Euro gebildet. Weitere nötige Mittel sollten dem Vermögen des Bischöflichen Stuhls entnommen werden, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zur Aufsicht darüber setzte der Bischof einen Vermögensverwaltungsrat ein.
Eben der hatte nach Angaben des Bistums am Montag eine von Tebartz-van Elst für Oktober angekündigte verwaltungsinterne Kostenrechnung "festgestellt und erörtert", aus der sich die Summe von rund 31 Millionen Euro ergibt. Dem Vermögensverwaltungsrat gehören an: der unlängst mit dem Päpstlichen Gregoriusorden ausgezeichnete frühere hessische Europaminister Jochen Riebel (CDU), der Vorstandssprecher der in Köln ansässigen Josefs-Gesellschaft, Theodor-Michael Lucas, und der Wirtschaftsprüfer Carl-Friedrich Leuschner.
In ihrer Dienstagausgabe zitiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) eine Erklärung der drei vom Montag: "Die bisher aufgelaufenen Kosten des Diözesanen Zentrums St. Nikolaus mit der Bischofswohnung, der Alten Vikarie, des Schwesternhauses und den damit verbundenen weiteren Einzelprojekten auf dem Domberg in Limburg betragen bis heute rund 31 Millionen Euro. Uns Mitgliedern des Vermögensverwaltungsrats waren bis zur Stunde die Gesamtkosten nicht bekannt. In Einzelheiten zu gehen verbietet sich. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass gemäß des Statutes des Bischöflichen Stuhles zu Limburg weder Haushaltspläne für die Jahre 2012 und 2013 vorgelegt noch dass entsprechende Einzelprojekte genehmigt worden sind." Und auch dies erklärten die Mitglieder des Vermögensverwaltungsrats laut FAZ: "Wir sind durch den Bischof von Limburg hinter das Licht geführt worden."
Zu den Vorwürfen nahm Tebartz-van Elst bislang keine Stellung. Am späten Dienstagnachmittag wollte der Bischof in Wiesbaden ein Buch zu den Päpsten Benedikt XVI. und Franziskus vorstellen. Dieser Termin wurde abgesagt.
Chronologie der jüngeren Entwicklung im Bistum Limburg
2. Februar 2007: Rücktritt des Limburger Bischofs Franz Kamphaus nach 25-jähriger Amtszeit. Er gilt als Vertreter des liberaleren Flügels der deutschen Bischöfe.
2007: Das Domkapitel beschließt einen Umbau des Limburger Dombergs mit dem Ziel, dem künftigen Bischof dort eine Wohnung und Residenz zu errichten.
20. Januar 2008: Franz-Peter Tebartz-van Elst, zuvor Weihbischof im Bistum Münster, wird in sein Amt als Bischof von Limburg eingeführt.
Pfingsten 2008: In einem Hirtenbrief mahnt Tebartz-van Elst eine "Bereitschaft zur Bewegung" über bisherige Pfarrgrenzen hinaus an.
Wenig später startet er einen Prozess zur Schaffung "Pastoraler Räume", in denen Gemeinden zusammengefasst werden sollen. Er setzt die strenge Beachtung liturgischer Vorschriften in Gottesdiensten durch. Mancherorts regt sich Kritik.
August 2008: Tebartz-van Elst entbindet den Wetzlarer Pfarrer Peter Kollas von seinem Amt als Bezirksdekan, nachdem dieser ein homosexuelles Paar gesegnet hat. Er ernennt Franz Josef Kaspar zu dessen kommissarischem Nachfolger und beruft ihn gleichzeitig zum Limburger Generalvikar.
Mai 2010: Auf dem Limburger Domberg wird mit dem Bau des "Diözesanen Zentrums Sankt Nikolaus" begonnen, das auch den Wohn- und Amtssitz des Bischofs umfasst.
2010/2011: Das Magazin "Der Spiegel" und andere Medien berichten über Stimmen im Bistum, die dem Bischof einen autoritären Führungsstil, "klerikale Selbstverliebtheit" und Geldverschwendung vorwerfen.
2012: Publik wird ein Erster-Klasse-Flug des Bischofs und seines Generalvikars nach Indien. Der Bischof leugnet gegenüber dem "Spiegel" den Flug Erster Klasse. Als das Magazin ihn der Lüge bezichtigt, gibt er eine eidesstattliche Versicherung ab, in der er die Leugnung bestreitet. Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung auf.
29. Juni 2013: Das "Diözesane Zentrum Sankt Nikolaus" wird eingeweiht. Die Kosten werden mit rund 10 Millionen Euro beziffert, veranschlagt waren 5,5 Millionen. Als Gründe für die Steigerung werden strenge Auflagen des Denkmalschutzes genannt.
Anfang bis Mitte August 2013: Der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz fordert den Bischof indirekt auf, sein Amt für einige Jahre ruhen zu lassen. Der Bischof erinnert ihn daraufhin an seine Verpflichtung zur Loyalität.
25. August: Die Stadtversammlung der Frankfurter Katholiken legt einen Offenen Brief vor. Darin heißt es, die Bistumsleitung müsse umgehend einen anderen Weg einschlagen, "will sie die katholische Kirche in unserem Bistum und darüber hinaus glaubhaft und glaubwürdig vertreten".
28. August: Tebartz-van Elst reist nach Rom zum Leiter der vatikanischen Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet. Die Limburger Bischöfliche Pressestelle teilt später mit, der Bischof habe "große Unterstützung und Solidarität in der aktuellen Situation erfahren".
29. August: Das Forum Deutscher Katholiken startet eine Solidaritätsaktion für Tebartz-van Elst.
31. August: In einem Schreiben an die Katholiken seines Bistums bittet Tebartz-van Elst um Vertrauen und räumt indirekt Fehler ein.
Er verspricht Aufklärung zum Bau des Diözesanen Zentrums.
5. September: Rund 200 Menschen folgen der Einladung des Bischofs zu Führungen durch das Diözesane Zentrum.
6. September: Tebartz-van Elst nimmt den von knapp 4.500 Katholiken unterzeichneten kritischen "Frankfurter Appell" entgegen. Parallel dazu kursiert eine Unterschriftenliste von rund 5.000 Befürwortern des Bischofs.
7. September: Der Vatikan greift ein. Im Auftrag von Papst Franziskus soll sich Kurienkardinal Giovanni Lajolo (78) vor Ort ein Bild machen. Kardinal Ouellet bezeichnet diese Visite als "brüderlichen Besuch".
14. September: In einer gemeinsamen Erklärung des Bischofs und des Limburger Domkapitels wird angekündigt, dass eine Sonderkommission der Deutschen Bischofskonferenz die Finanzierung des Diözesanen Zentrums und des bischöflichen Hauses überprüfen soll. Tebartz-van Elst habe eine solche Sonderprüfung erbeten, deren Ergebnis anschließend veröffentlicht werde.
15. September: Beim Kreuzfest der Diözese in Königstein bittet Tebartz-van Elst alle Menschen, die er "enttäuscht und verletzt" habe, um Verzeihung und Nachsicht
16. September: Lajolo äußert sich nach seinem Besuch in Limburg vorsichtig optimistisch. Tebartz-van Elst habe wichtige Schritte zur Überwindung der gegenwärtigen Spannung unternommen.
18. September: Der Leiter der vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, spricht von einer "Kampagne" gegen Tebartz-van Elst. Rom vertraue ihm "voll und ganz".
27. September: Nach der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda versichert deren Vorsitzender, Erzbischof Robert Zollitsch, den Limburger Bischof seiner "kollegialen Solidarität" und Unterstützung.
2. Oktober: Tebartz-van Elst nimmt den Amtsverzicht von Generalvikar Kaspar (75) an und ernennt zum 1. Januar den Wiesbadener Stadtdekan Wolfgang Rösch zum Nachfolger.
7. Oktober: Die Bau- und Sanierungskosten des Diözesanen Zentrums fallen weit höher aus als bisher auch von Kritikern angenommen. Sie belaufen sich auf rund 31 Millionen Euro, wie das Bistum nach einer Sitzung des Vermögensverwaltungsrats des Bischöflichen Stuhls mitteilt.