Das Glockengeläut von St. Lambertus schallt an diesem Sonntag (13. Oktober) zum letzten Mal über die Felder des südlichen Niederrheins. In der katholischen Kirche von Immerath wird die letzte Messe gehalten, das Gotteshaus wird entwidmet. Später kommt die Abrissbirne, zerlegt die Kirche mit Doppelturm in Schutt und Asche. Wegen der Braunkohle, wegen dem Tagebau Garzweiler.
Interessenten für Heiligenfiguren gibt es genug
Die katholische Pfarrgemeinde muss sich am neuen Ort Immerath viel kleiner setzen. In den letzten Wochen davor ging es in der alten Kirche zu wie beim Umzug im richtigen Leben: planen, aussortieren. Interessenten finden für Altar, Heiligenfiguren, Kirchenbänke, Kreuz, Kerzenständer. Im rheinischen Braunkohlenrevier Garzweiler passiert das zwar immer wieder einmal. Aber dieses Mal ist es anders.
St. Lambertus ist mehr als eine kleine Dorfkirche. Die Leute sprechen voller Respekt vom Immerather Dom. Vom neuen Ort kommen die Leute noch immer per Bus zur Messe. Vor über 150 Jahren griffen vor allem die Bauern für den Kirchenbau in die Tasche. So wuchs mitten auf dem platten Land ein dreischiffiger Kirchenbau, neoromanisch, mit zwei Türmen und mächtigem Portal - wie für die Ewigkeit gebaut.
Die Unsicherheit steigt
Außerdem ist die Debatte über den Sinn und die Perspektiven des Tagebaus, der sich mit gigantischen Baggern durch die Landschaft frisst, neu entfacht. Der Stromkonzern RWE dementierte zwar vor wenigen Tagen einen Medienbericht, wonach der Konzern ein vorzeitiges Aus für Garzweiler II in den Jahren 2017 oder 2018 erwäge, weil die Stromproduktion zu unrentabel sei. Viele Menschen in der Region sind aber verunsichert.
In den vergangenen Wochen stand St. Lambertus bereits ganz im Zeichen des Abrisses. Antonia Küppers, die mit ihrem Mann Theo schon eine halbe Ewigkeit Küster in der katholischen Kirche von Immerath ist, kann sich manchmal nur wundern. Was die Leute alles so brauchen können. Engel zum Beispiel. Nicht esoterisch angehaucht, ganz gegenständlich christlich: “Die Engel mit den Leidenswerkzeugen“.
Die Immerather entscheiden
Was ein Engel kostet? “Da reden wir nach dem 13. Oktober drüber“, betonte sie. Der Abriss zog Schaulustige an. Bei manchen Besuchern denkt man an Schnäppchenjäger bei Wohnungsauflösungen. Pfarrer Werner Rombach erzählt von der Mail einer Frau, voller Bedauern über den geplanten Abriss der Kirche, bis sie schließlich zum Kern kam: Ob man denn auch was kaufen kann und an wen man sich denn wenden muss.
An den “Kapellenvorstand“. Der kleine Kreis aus Immerather Bürgern entscheidet, wer den Zuschlag bekommt. Schwestern aus Bad Godesberg standen auf der Warteliste für zwölf Kirchenbänke. Ein Vater, der zwei Engel für seine Tochter haben möchte oder die kleine Abordnung aus einem Dorf aus der Region, die die Orgel für ihre Kirche kaufen möchte. Das wäre ein doppelter Glücksfall: Die Orgel käme wieder in eine Kirche und die Immerather könnten hinfahren, um sie zu hören.
Das Glockengeläut mit dieser mächtigen Resonanz, die einem wohlig durch den Magen fährt, werden die Immerather verlieren, für immer. Niemand hätte sich träumen lassen, dass Ewigkeit so kurz sein würde. Der Turm ist so knapp bemessen, dass man große Löcher reinschlagen muss, um die Glocken abzumontieren. Die vier kleinen Glocken gehen mit, die beiden großen passen nicht ins kleine Gemeindezentrum. Die Kapelle am Umsiedlungsstandort wird gerade mal 60 Plätze haben.