Feminismus und katholische Kirche waren bekanntlich lange keine allzu engen Nachbarn. Im Kampf gegen sexuelle Ausbeutung jedoch sind sie seit einiger Zeit natürliche Verbündete.
Nun bekam "EMMA"-Gründerin Alice Schwarzer für ihre Kampagne gegen das deutsche Prostitutionsgesetz indirekt Unterstützung aus dem Vatikan.
Am Wochenende beriet in Rom erstmals eine Konferenz der beiden Päpstlichen Akademien der Wissenschaften und der Sozialwissenschaften über die Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Durch die gesetzliche Anerkennung der Prostitution als Arbeit fördere Deutschland den Menschenhandel, so der Vorwurf von Akademiepräsident Bischof Marcelo Sanchez Sorondo am Rande der Veranstaltung. Die Bundesrepublik schaffe einen Markt für sexuelle Ausbeutung.
Schon Papst Benedikt XVI. hatte 2011 gegenüber dem neuen deutschen Botschafter am Heiligen Stuhl, Reinhard Schweppe, den Umgang der deutschen Politik mit dem Thema Prostitution beklagt und sie als schweres Vergehen gegen die Menschlichkeit bezeichnet.
Mit falschen Versprechen gelockt
90 Prominente haben sich der "EMMA"-Kampagne gegen das Gesetz angeschlossen, darunter auch der Katholische Deutsche Frauenbund. Ein sauberer Job, eine eigene Wohnung und genug Einkommen, um der Familie zu Hause regelmäßig Geld zu überweisen - so lauten Versprechungen der Menschenhändler. Tatsächlich führt der Weg Frauen und Mädchen aus Osteuropa oder der Karibik, vom Balkan oder aus Schwarzafrika in deutsche Bordelle und Hinterzimmer. Die eingesperrten Opfer haben kaum eine Wahl. Wer nicht anschaffen will, riskiert sein Leben. Für die Lieferanten der Ware Mensch und die Zuhälter ist Sex-Sklaverei ein Milliardenmarkt.
Wie viele der schätzungsweise 400.000 Prostituierten in Deutschland ausgebeutet werden, lässt sich kaum beziffern. Der Fahndungsdruck wächst erst seit einigen Jahren. Und viel spricht aus Sicht der Kritiker dafür, dass das rot-grüne Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002, dessen Änderung derzeit in den Koalitionsverhandlungen angestrebt wird, die sexuelle Ausbeutung unfreiwillig begünstigt.
Mehr Engagement der Kirche gefordert
Allerdings mahnte Akademiepräsident Sorondo zum Abschluss der Konferenz auch ein größeres Engagement der katholischen Kirche im Kampf gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel insgesamt an. Es fehle an Problembewusstsein für einen der dramatischsten Auswüchse der Globalisierung, so der Bischof im Vatikan.
Weltweit 30 Millionen Menschen sind derzeit laut Global Slavery Index 2013 Opfer des "Human Trafficking". Allein zwei Millionen Opfer werden nach UN-Angaben jährlich in die Zwangsprostitution gezwungen. Dagegen hätten die Teilnehmer der vatikanischen Konferenz mehrere Dutzend Vorschläge zum effektiveren Kampf erarbeitet, so Sorondo.
Die Teilnehmer der Konferenz forderten vor allem eine Veränderung der Lebensumstände, die den Nährboden des Menschenhandels bilden. Er gedeihe vor allem dort, wo Armut herrscht, unterstrich der argentinische Soziologe und Konferenzteilnehmer Juan Jose Llach.
Konferenz gegen Menschenhandel 2015
Schwache und korrupte Staaten mit einer verelendeten und perspektivlosen Bevölkerung machten der Menschenhändler-Mafia das Geschäft leicht. Auch zerrüttete Familienverhältnisse und Drogensucht begünstigten das Milliardengeschäft mit den überwiegend jungen Opfern, die mit falschen Versprechungen in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse gelockt würden.
Künftig will der Vatikan weitere Veranstaltungen zum Thema organisieren. Für 2015 ist eine Großkonferenz gegen den Menschenhandel vorgesehen. Der Papst, der aus seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires mit dem Problem eng vertraut sei, plane ein aufsehenerregendes Signal, kündigte Sorondo an. Mehrfach hat Franziskus bereits die modernen Formen der Sklaverei angeprangert, als eine "Schande für unsere Gesellschaften, die sich als zivilisiert bezeichnen". Was genau der Papst 2015 unternehmen will, sagte Sorondo nicht. In Deutschland dürfte die Gesetzgebung zur Prostitution zu diesem Zeitpunkt dann schon nicht mehr dieselbe sein.