domradio.de: Sollten diese Staatsleistungen an die Kirchen, wie sie im Grundgesetz vorgesehen sind, auch heute weiter gezahlt werden?
Schallenberg: Natürlich kann man jetzt sagen, das ist lange her, 1803, seitdem ist viel Zeit vergangen, ist das noch zeitgemäß, dann ist die Frage: Erstens, kommt man zu einer Einigung mit dem Staat, denn das sind ja geltende Verträge, die jetzt nicht einseitig einfach gekündigt werden sollten oder könnten. Und zweitens, wie kann eine möglicherweise weiter dauernde Unterstützung des Staates für kirchliche Aufgaben aussehen? Das sieht ja in Ländern der Welt ganz unterschiedlich aus und das könnte grundsätzlich bei uns anders aussehen als es bisher, seit jedenfalls 150 Jahren aussieht. Also, undenkbar ist das nicht, die Frage ist nur, was ist das Ziel und was tritt an die Stelle von der bisher geltenden Regelung?
domradio.de: Wie könnte so eine Neuregelung in Ihren Augen aussehen?
Schallenberg: Man könnte zum Beispiel darüber nachdenken, dass man etwa Baulasten, die der Staat bisher abgelöst hat an öffentlichen, kirchlichen Gebäuden, wo der Staat bisher noch Unterhaltspflichten hatte, dass man das überträgt auf das Modell der Leistung des Staates nach der Säkularisation. Also dass man sich einigt, wir machen einen bestimmten zeitlichen Schnitt und sagen, das ist jetzt abgegolten, kommen wir da zu einer Einigung. Das wäre sicherlich denkbar, das ist in anderen Ländern der Welt ja auch möglich. Da müsste man auch gucken, wofür werden die Gelder verwendet. Der Staat hat ja ein Interesse an karitativen, wohltätigen Zwecken, die die Kirche verfolgt, die er unterstützt, aber das normalerweise nicht aus diesen Geldern gemacht wird. Also grundsätzlich wäre möglich, dass Staat und Kirche sich einigen, dass der Staat auf die Kirche zugeht und sagt, wir hätten ein Interesse an einer größeren Entflechtung von Kirche und Staat, das Geld dann natürlich für katholische und evangelische Kirche in gleicher Weise ausgibt, und dass die Kirchen sagen, wir können das Interesse verstehen, möglicherweise liegt es auch in unserem Interesse in einer sich wandelnden Welt eine solche Entflechtung von Kirche und Staat mehr herbeizuführen als sie bisher der Fall war. Und dann kann man sich darüber einigen, dass eben solche Staatsgelder, anders als Kirchensteuergelder, aufhören zu einem bestimmten Zeitpunkt.
domradio.de: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, hat ja gesagt, diese Gelder tun uns alle nicht gut, natürlich nach der Diskussion um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst. Würden Sie das moralisch unterstreichen?
Schallenberg: Ja, das ist eine gute Frage und auch eine etwas knifflige Frage. Es besteht immer die Gefahr, dass man doch korrumpiert wird, das heißt also, dass man durch Gelder, die der Staat zahlt, dann möglicherweise auch in politischen Fragen vom Staat abhängig wird, dass man eine sehr große Staatsnähe hat und das ist eigentlich für die Kirche nicht ein guter Weg in der Vergangenheit gewesen, sondern eine gesunde Distanz zum Staat, eine freundliche, wohlwollende Distanz ist eigentlich eine gute Linie. Deswegen ist diese Aussage, dass diese Zahlungen, die seit der Säkularisation der Staat an die Kirche leistet, nicht guttun, da sind sicherlich zwei bis drei Körnchen Wahrheit dran. Man musste jetzt genauer hingucken. in dieser Allgemeinheit ist die Aussage natürlich wohlfeil. Man müsste jetzt genauer hingucken und fragen, inwiefern tut sie der Kirche nicht gut. Man könnte sich auch vorstellen, dass die Gelder, die der Staat an die Kirche gibt, dass die ganz genau offengelegt werden, sehr transparent sind. So ist es etwa in einigen Kantonen in der Schweiz, und dass diese Gelder dann auch dementsprechend transparent gemacht werden in der Zweckbestimmung: wofür werden sie benutzt? Das scheint mir das eigentliche Problem im Augenblick zu sein.